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Bei Cinnabaris handelt es sich um ein natürlich vorkommendes Mineral, das Quecksilber­sulfid (HgS) enthält. Dieses wird sehr schlecht resorbiert. Autoren auch aus heutiger Zeit spielen teilweise das Risiko herunter und behaupten, es werde gar nicht resorbiert und sei daher unschädlich. Wenn es gar nicht resorbiert würde, stellt sich die Frage, wie es denn eine Wirkung entfalten sollte. Tatsächlich werden bei oraler Aufnahme knapp 0,2% resorbiert, die sich zum großen Teil in der Niere anreichern. Ins Gehirn gelangt etwa ein Zehntel dieser Menge. Über die Aufnahme über die Haut ist wenig bekannt [1].

Vergiftungserscheinungen sollen ab einer Dosis von 1,0-1,5g täglich über 30 Tage vorkommen [2]. Bei längerer Anwendung sind chronische Quecksilbervergiftungen bekannt geworden [3]. Zhu berichtet von 5 Fällen von Darmentzündungen oder toxischen Nephropathien, die unter Anwendung von Cinnabaris-haltigen Fertigarzneimitteln auftraten [4]. Die meisten Vergiftungen sind allerdings durch Überdosierung oder fehlerhafte Anwendung zustande gekommen, ein Patient verstarb nach der Einnahme von 100g [4]. In der offiziellen Chinesischen Pharmakopöe wurde die Tagesdosis von 0,3 bis 1,5g im Jahre 1977 auf 0,1 bis 0,5g in der Ausgabe von 2005 herabgesetzt [1]. Im klassischen Rezept zhu sha an shen wankommt man auf eine Tagesdosis von 1,4 bis 4,2g (errechnet nach [5]). Es darf auch nur durch Verreiben in Wasser gereinigtes Cinnabaris verwendet werden, damit andere besser lösliche und damit toxischere Verbindungen entfernt werden. Sehr gefährlich wird es, wenn Cinnabaris erhitzt wird, daher darf es auf keinen Fall im Dekokt mitgekocht werden. Ein 87jähriger Mann verstarb, nachdem er, um sein Fußulkus zu heilen, Cinnabaris entflammt und die Dämpfe eingeatmet hatte, trotz intensiver Therapie an Lungenversagen [6].

Bei sachgemäßer Anwendung unter Verwendung eines gereinigten Produktes, Beachtung der Höchstdosis und Vermeidung einer längeren Behandlungsdauer ist die Toxizität wahrscheinlich gering, die therapeutische Breite aber auch. Die chronische Quecksilber­vergiftung ist wegen ihrer unspezifischen Symptome schwer zu diagnostizieren. Die Öffentlichkeit ist bezüglich Quecksilberbelastung durch Amalgam sehr sensibilisiert, und der Vertrieb von Cinnabaris als Arznei ist rechtlich nicht zulässig. Ein Großteil der Patienten, die Chinesische Arzneitherapie anwenden, dürfte Amalgamfüllungen ablehnen und kein Verständnis dafür aufbringen, dass ihnen Quecksilber über chinesische Medizin zugeführt werden sollte. Die leicht mögliche Fehlanwendung durch Erhitzen und die nicht überprüfbare Qualität machen die Anwendung von Cinnabaris – abgesehen vom rechtlichen Verbot – gänzlich unakzeptabel, das gilt auch für die äußere Anwendung. Vom Bezug über das Internet ist strikt abzuraten.

Literatur:

  1. Liu J, Shi JZ, Yu LM, Goyer RA and Waalkes MP. Mercury in traditional medicines: is cinnabar toxicologically similar to common mercurials? Exp Biol Med 2008;233:810-7
  2. Bensky D, Clavey S and Stöger E. Chinese Herbal Medicine. Materia Medica. 3th ed. Seattle: Eastland Press, 2004
  3. Yu WD, Foster HD and Zhang TY. Discovering Chinese mineral drugs. J Orthomolecular Med 1995;10:31-58
  4. Zhu TZ. [Analysis of the toxicity of Chinese mineral medicine] (in Chinese). Zhejiang Zhongyi Zazhi 1986;21:354-356
  5. Scheid V, Bensky D, Ellis A and Barolet R. Formulas & Strategies. 2nd ed. Seattle, WA: Eastland Press, 2009
  6. Ho BS, Lin JL, Huang CC, Tsai YH and Lin MC. Mercury vapor inhalation from Chinese red (Cinnabar). J Toxicol Clin Toxicol 2003;41:75-8

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