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April 2022
Liebe TCM-Freunde,
nach einer längeren Pause, in der sich das CTCA restrukturiert hat, melden wir uns mit einigen aktuellen Themen wieder zurück. Auch unsere Website befindet sich in einem Relaunch und wird bald einen neuen Online-Meldebogen zur Verfügung stellen, auf dem Sie mutmaßliche unerwünschte Arzneimittelreaktionen in Verbindung mit Chinesischer Arzneitherapie noch leichter an uns melden können. Das CTCA wird Ihre Meldung kollegial behandeln, den Zusammenhang der Reaktion mit der chinesischen Arznei prüfen und eine Beurteilung dazu abgeben. Ihre Meldung ist wichtig, damit wir alle daraus lernen und die Chinesische Arzneitherapie noch sicherer machen können. Gleichzeitig wünsche ich, dass Sie durch Ihre umsichtige Therapie so schnell keinen Anlass für eine solche Meldung haben werden, und verbleibe mit besten Grüßen,
Axel Wiebrecht
Hochtoxischer Extrakt seit Monaten unangetastet im Handel
Durch einen Patienten, der bei einer Kollegin aus dem CTCA in Behandlung war, wurden wir darauf aufmerksam, dass ein hochtoxischer Extrakt aus einer chinesischen Arzneipflanze als „Nahrungsergänzungsmittel“ in Deutschland vertrieben wird. Es handelt sich dabei um einen Extrakt aus Tripterygii wilfordii Radix (lei gong teng), das wegen seiner Toxizität als obsolet gilt. Es kann zu Immundepression, Leber- und Nierenschäden, männlicher Infertilität, Amenorrhö und Blutbildschäden führen. In China gibt es ein zugelassenes Arzneimittel aus einem alkoholischen Extrakt der Pflanze, das für die Anwendung strenge Vorgaben macht (Begrenzung der Anwendungsdauer, ärztliche Überwachung von EKG und Laborwerten, Kontraindikation u.a. für die Schwangerschaft wegen Teratogenität im Tierversuch usw.).
Dieser Vollextrakt wurde von zahlreichen deutschen und anderen Internet-Apotheken (Doc Morris usw.) angeboten. Aus unseren Reihen wurde dazu ein Leserbrief zu den Hintergründen an die Zeitschrift für Phytotherapie geschickt[1]und der Fall am 25.06.2021 an die zuständige Aufsichtsbehörde in Baden-Württemberg gemeldet. Es ist kaum zu glauben, dass man heute (Stand 10.03.2022), wenn man den deutschen Namen „Dreiflügelfrucht“ im Internet eingibt, nach wie vor auf zahlreiche Anbieter von diesem „Vollextrakt“ stößt. Anscheinend ist die Behörde damit überfordert, diese akute Gefahr für den Verbraucher zu stoppen. Wir haben in Deutschland eine schizophrene Situation, indem es im Arzneimittelbereich kaum noch möglich ist, direkt aus China oder Taiwan nach allen Regeln geprüfte Granulate einzuführen, während auf der anderen Seite toxische Stoffe, die wir in der Chinesischen Medizin aus Sicherheitsgründen gar nicht mehr anfassen, als Nahrungsmittel ungestört im Handel sind.
Hepatotoxizität von Psoraleae Fructus (bu gu zhi) wahrscheinlich
Bu gu zhi steht schon länger im Blickfeld einer möglichen Hepatotoxizität. In den letzten beiden Jahren haben die Hinweise deutlich zugenommen. Allein aus den Jahren 2020 und 2021 finden sich dazu rund 20 Arbeiten in PubMed und 15 Arbeiten in der chinesischen Datenbank CNKI, und die Hepatotoxizität wird darin als eine feststehende Tatsache behandelt, die nicht mehr hinterfragt wird.
Diese „Sicherheit“ gründet sich dabei vor allem auf Tierversuche, die nicht deckungsgleich auf die klinische Situation übertragen werden können. Es handelt sich nämlich bei der in Frage kommenden Reaktionsweise um eine „idiosynkratische“ Hepatotoxizität. D.h. diese Form der Leberreaktion wird im Regelfall überhaupt nicht beobachtet, sondern nur bei bestimmten Individuen auf der Basis immunologischer Prozesse oder Stoffwechselbesonderheiten. Sie ist im Tierversuch nicht reproduzierbar. Die Reaktionen sind einerseits sehr selten und nicht vorhersehbar, können andererseits aber auch schwer verlaufen. Inzwischen gibt es genügend klinische Fälle mit eingetretenen Leberreaktionen, bei denen bu gu zhi entweder allein oder innerhalb von Rezepturen, in denen keine anderen Bestandteile mit bekannter Lebertoxizität enthalten waren, eingesetzt wurden. Demnächst wird in der „Chinesischen Medizin“ eine Zusammenstellung dieser Fälle erscheinen, von denen man sich ein Bild machen kann.
Der wirksamste Schutz vor größerem Schaden ist es, Patienten, die Arzneidrogen mit möglicher Hepatotoxizitäterhalten, über die Symptome einer Leberschädigung aufzuklären, verbunden mit dem Hinweis, dass sie sich bei entsprechenden Zeichen umgehend mit ihrer/m Therapeutin/en in Verbindung setzen sollen.
Interaktionen auch bei neuen oralen Antikoagulanzien möglich
Interaktionen mit Blutgerinnungshemmern zählen zu den folgenreichsten und häufigsten unter den schwerwiegenden Wechselwirkungen. Das gilt vor allem für die dafür besonders anfälligen Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar® u.a.). Interaktionen derselben sind auch mit chinesischen Arzneidrogen berichtet worden (z.B. gou qi zi, Lycii Fructus). Die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) gelten als weniger anfällig. Aber auch diese sind nicht vor Interaktionen mit pflanzlichen Mitteln gefeit.
2019 wurden zwei Blutungsfälle veröffentlicht, in denen eine Interaktion von Ingwer mit Dabigatran eine Rolle gespielt haben könnte[2],[3]. Einer der beiden Fälle endete tödlich. Die Fälle sind für sich nicht zwingend beweisend, jedoch theoretisch erklärbar: Ingwer hemmt das P-Glykoprotein, das Dabigatran aus den Zellen ausschleust und somit dessen Wirkung abschwächt. Dadurch kann die Wirkung von Dabigatran verstärkt werden.
Geschmacksstörungen durch Andrographis paniculata
Letztes Jahr veröffentlichte die australische Arzneimittelagentur Therapeutic Goods Administration (TGA) Hinweise, wonach es unter Andrographis paniculata zu Geschmacksstörungen oder Geschmacksverlust kommen kann[4]. Bis Juli 2020 erhielt das TGA 226 Berichte, aufgrund derer Andrographis als die wahrscheinliche Ursache angesehen wurde. Begrenzte Evidenz spricht für den darin enthaltenen Inhaltsstoff Andrographolid.
Es handelte sich dabei um Fälle, die eher bei höher dosierten Extrakten auftraten und solchen, die mit alkoholischen oder methanolischen Lösungsmitteln hergestellt wurden. Andrographolid geht bei wässriger Extraktion, wie den Dekokten, weniger in Lösung. Das chinesische Arzneibuch fordert in der Monografie Andrographis Herba (chuan xin lian) einen Mindestgehalt von 0,8% in der Rohdroge. Nach einer analytischen Arbeit wurde das Maximum an Adrographolid mit 50%igem Alkohol extrahiert (115 mg/g), bei wässriger Extraktion kam man jedoch immer noch auf 25 mg/g[5]. In klinischen Studien wurden Geschmacksstörungen unter einer Dosierung ab 1200mg pro Tag eines alkoholischen Extrakts von Andrographis panniculata beschrieben[6]. Die Geschmacksstörung konnte in den gemeldeten Fällen bis zu mehreren Monaten anhalten. Das TGA formulierte eine Warnung bezüglich Geschmacksstörung oder Geschmacksverlust für die Packungsbeillage von Fertigprodukten.
Ob die beschriebene Nebenwirkung im Rahmen der Chinesischen Medizin für die übliche Anwendung eines Dekokts oder Granulats relevant ist, kann nicht sicher bestimmt, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Angesichts der Tatsache, dass Geschmacksstörungen im Rahmen einer Covid-19- oder einer Long-Covid-Erkrankung vorkommen, sollte man bzgl. eines möglichen additiven Effekts durch Andrographis Sensibilität walten lassen.
Melden Sie vermutete Nebenwirkungen unter Chinesischer Arzneitherapie an das CTCA mit dem Meldebogen.
[1] 1. Wiebrecht A, von Hasselbach Y. Leserbrief. Zschr Phytother 2021c;42:213-214
[2] Maadarani O, Bitar Z and Mohsen M. Adding herbal products to direct-acting oral anticoagulants can be fatal. Eur J Case Rep Intern Med 2019;6:001190
[3] Gressenberger P, Rief P, Jud P, et al. Increased bleeding risk in a patient with oral anticoagulant therapy and concomitant herbal intake - a case report. J Int Fed Clin Chem Lab Med 2019;30:95-98
[4] https://www.tga.gov.au/outcomes-low-negligible-risk-changes-permissible-ingredients-2020-2021
[5] Rafi M, Devi AF, Syafitri UD, et al. Classification of Andrographis paniculata extracts by solvent extraction using HPLC fingerprint and chemometric analysis. BMC Research Notes 2020;13(1), 56
[6] u.a. Sandborn WJ, Targan SR, Byers VS, et al. Andrographis paniculata extract (HMPL-004) for active ulcerative colitis. Am J Gastroenterol 2013;108:90-98
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März 2020
In dieser Sonderausgabe des CTCA Letters bringen wir aktuelle Behandlungsempfehlungen der chinesischen Gesundheitsbehörden zur Behandlung der Covid-19-Erkrankung mit Chinesischer Arzneitherapie. Der Text wurde dankenswerterweise von Nina Zhao-Seiler, Zürich übersetzt.
Chinesische TCM-Behandlungsempfehlungen zu Covid-19
Vorbemerkung
Dies ist ein Auszug aus einem von den nationalen chinesischen Gesundheitsbehörden herausgegebenem Dokument. Es erschien am 03.03.2020 und ist bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Übersetzung das aktuell Gültige.
Es enthält auf 23 Seiten alle offiziellen Richtlinien und Empfehlungen zu Diagnose und Behandlung von Covid-19.
Ich habe hier die Mitteilung der Behörden zur Publikation zusammengefasst und das Kapitel 4, welches die empfohlene TCM-Behandlung beschreibt, übersetzt. Um die Einbettung dieser TCM-Behandlungsempfehlungen in die schulmedizinische Behandlung zu zeigen, habe ich die Titel der übrigen Kapitel ergänzt.
Nina Zhao-Seiler, 4. März 2020, tongentangpraxis.org
Mitteilung zur Veröffentlichung des Diagnose- und Behandlungsplan bezüglich der durch das neuartige Coronavirus verursachten Pneumonie
(7. provisorische Auflage)
Am 03. März 2020 gaben das Generalbüro der Nationalen Hygiene und Gesundheitskommission und das Büro der staatlichen Verwaltung für traditionelle chinesische Medizin gemeinsam die aktualisierten provisorischen Diagnose- und Behandlungspläne für Lungenentzündungen mit dem neuartigen Coronavirus (siebte Ausgabe) heraus. In der Mitteilung wurde darauf hingewiesen, dass zur weiteren Verbesserung der Diagnose und medizinischen Behandlung der neuartigen Coronavirus-Pneumonie die bisherigen Erfahrungen in der Diagnose- und Behandlung von Experten untersucht, analysiert und zusammengefasst wurden.
Alle medizinische Einrichtungen werden gebeten, die Empfehlungen zu lesen und umzusetzen sowie aktiv die Rolle der traditionellen chinesischen Medizin in der medizinischen Behandlung miteinbeziehen, die Integration der traditionellen chinesischen und westlichen Medizin stärken, das System kombinierter traditioneller chinesischer und westlicher medizinischer Konsultationen zu verbessern, um so den Erfolg bei der medizinischen Behandlung und Genesung weiter zu fördern.
Nina Zhao-Seiler, 4. März 2020, tongentangpraxis.org
Inhalt
Einleitung zur Lage in China bezüglich der Covid-19-Epidemie von Dezember 2019 bis heute
I Merkmale zur Pathogenese S. 2
II Merkmale zur Epidemiologie S. 3
III Pathologische Veränderungen S. 3-5
IV Klinische Merkmale S. 5-6
V Diagnostische Kriterien S. 6-8
VI Klinische Differenzierung S. 8-9
VII Klinische Erkennungszeichen zur Vorhersage von schweren und kritischen Verläufen
S.9-10VIII Differentialdiagnostik S. 10
IV Auffindung und Meldung von Covid-19-Fällen S. 10
X Behandlung S. 10-21
(1) Entsprechend des Zustands der Patienten den Behandlungsort bestimmen S.11
(2) Behandlung im Normalfall S.11-12
(3) Behandlung bei schweren und kritischen Fällen S. 12-15
(4) TCM Behandlung S.15-21
XI Kriterien zur Entlassung aus dem Krankenhaus und nach der Entlassung zu Beachtendes
S. 21-22XII Prinzipien zum Umgang mit Transfer zur Arbeitsstätte S. 22
XIII Prävention und Eindämmung von Ansteckung in medizinischen Einrichtungen S.22
Die anderen Kapitel behandeln die schulmedizinischen Richtlinien und Empfehlungen zur Diagnose, Isolierung, Pflege und Behandlung von Covid-19-Patienten. Unten folgt die Übersetzung des Unterkapitels (4) im Kapitel 10, ab Seite 15 des Originaldokuments.
Link dazu siehe ganz unten.X (4) TCM-Behandlung
Diese Erkrankung gehört zur Kategorie der «yi» (epidemischen) Erkrankungen. Grund für eine Erkrankung ist die Ansteckung durch «epidemisches übles» qi. Die untenstehenden Rezepturen sollten durch in der TCM Arzneimitteltherapie geschulte Anwender an die lokalen und individuellen Gegebenheiten angepasst werden.
1 Medizinische Beobachtungsphase (Verdachtsfälle)
- a) Kraftlosigkeit+Verdauungsbeschwerden: Fertigarznei huo xiang zheng qi wan
- b) Kraftlosigkeit+Fieber: Fertigarzneien: auf yin qiao san-Basis
2 Klinische Behandlungsphase (bestätigte Fälle)
2.1 qing fei pai du tang (Die Lunge klärendes, Toxin ausleitendes Dekokt)
Indikationen: bei Patienten mit leichten Verläufen, normalen Verläufen oder schweren Verläufen. Bei Patienten mit kritischem Verlauf kann diese Rezeptur je nach Zustand des Patienten zusätzlich zur Notfallversorgung gegeben werden, solange dies in einem vernünfti-gen Rahmen möglich ist.
Basisrezeptur: ma huang 9g, zhi gan cao 6g, xing ren 9g, sheng shi gao 15-30g (vorkochen), gui zhi 9g, ze xie 9g, , zhu ling 9g, bai zhu 9g, fu ling 15g, chai hu 16, huang qin 6g, jiang ban xia 9g, sheng jiang 9g , zi wan 9g, kuang dong hua 9g, she gan 9g, xi xin 6g, shan yao 12g, zhi
shi 6g, chen pi 6g, huo xiang 9g
Verabreichungsform: als Dekokt. Eine Portion pro Tag, morgens und abends je eine Tasse warm einnehmen, 40 Minuten nach den Mahlzeiten. Drei Tage sind ein Behandlungszyklus. Falls möglich, kann jeweils nach der Einnahme der Rezeptur eine Schale dünne Reissuppe gegeben werden, Patienten mit Zeichen von Trockenheit und yin-Schwäche kann mehr als eine Schale dünne Reissuppe gegeben werden.
Wenn kein Fieber (mehr) besteht, sollte die Dosierung von sheng shi gao reduziert, bei hohem Fieber erhöht werden. Falls Besserung eintritt, sollte ein zweiter Behandlungszyklus von drei Tagen gegeben werden. Dabei sollte die Rezeptur bei Bedarf an die hauptsächlichen
Symptome angepasst werden.
Herkunft der Rezeptur: Nr. 22(2020) der Anweisungen zu «qing fei pai du tang» des staatlichen Büros für TCM
2.2 Leichte Verläufe
(1) han shi yu fei zheng (Kälte Feuchtigkeit drückt auf die Lunge-Muster)
Klinische Manifestation: Fieber, Schwäche, Gliederschmerzen am ganzen Körper, Husten, Schleimauswurf, Enge in der Brust, erschwerte Atmung, wenig Appetit, Übelkeit, Erbrechen, Stuhl breiig, klebrig, unvollständige Entleerung.
Zungenkörper aufgedunsen, blass, Zahnabdrücke oder blass rote Zunge, mit weißem, dickem, fettigem Belag oder mit weißem fettigem Belag, Puls ru oder hua.
Empfohlene Rezeptur: (sheng) ma huang, 6g, (sheng) shi gao 15g, xing ren 9g, qiang huo 15g, ting li zi, 15g, guan zhong 9g, di long 15g, xu chang qing 15g, huo xiang 15g, pei lan 9g, cang zhu 15g, yun ling (=fu ling) 45g, (sheng) bai zhu 30g, jiao san xian (shen qu, mai ya, shan zha)je 9g, hou po 15g, (jiao) bing lang 9g, (wei) cao guo 9g, sheng jiang 15g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 600ml übrig bleiben. Jeden Tag eine Portion, morgens, mittags und abends je ein Drittel davon vor dem Essen einnehmen.
(2) shi re rao fei zheng (Feuchte Hitze sammelt sich in der Lunge-Muster)
Klinische Zeichen: niedriggradiges Fieber oder kein Fieber, leichte Abneigung gegen Kälte, Schwäche, Kopf und Körper schwer und eingeengt, Muskelschmerzen, trockener Husten mit wenig Schleim, Halsschmerzen, trockener Mund ohne Verlangen nach viel Trinken, eventuell Druck auf der Brust, blockiertes Gefühl in der Magengrube, kein Schwitzen oder zögerliches Schwitzen, eventuell Aufstoßen, Übelkeit und Abneigung gegen das Essen, breiiger Stuhl oder klebriger Stuhl mit unvollständiger Entleerung.
Zungenkörper: blassrot mit weissem, dickem und fettigem Belag oder mit dünnem, gelbem Belag. Puls hua, shu oder ru.
Empfohlene Rezeptur: bing lang 10g, cao guo 10g, hou po 10g, zhi mu 10g, huang qin 10g, chai hu 10g, chi shao yao 10g lian qiao 15g, qing hao 10g (am Ende der Kochzeit beifügen), cang zhu 10g, da qing ye 10g, (unpräpriertes) gan cao 5g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 400ml übrig bleiben, und jeden Tag davon eine Portion nehmen, morgens und abends je eine Hälfte.
2.3 Übliche Verläufe
(1) shi du yu fei zheng (Feuchtigkeit Toxine drückt auf die Lunge-Muster)
Klinische Manifestation: Fieber, Husten mit wenig Schleim oder mit gelbem Schleim, Atemenge, gedrückte Atmung, geblähter Bauch, Verstopfung, erschwerter Stuhlgang. Zungenkörper dunkel, rot, aufgedunsen, Zungenbelag gelb, fettig oder gelb, trocken.
Puls: hua, shu oder xuan, hua.Empfohlene Rezeptur: (unpräpariertes) ma huang 6g, xing ren 15g, (unpräpariertes) shi gao 30g, (unpräpariertes) yi yi ren 30g, (mao) cang zhu 10g, (guang) huo xiang 15g, qing hao (Herba) 12g, hu zhang 20g, ma bian cao 30g, lu gen (trocken) 30g, ting li zi 15g, (hua) ju hong15g, (unpräpariertes) gan cao 10g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 400ml übrig bleiben, und jeden Tag davon eine Portion nehmen, morgens und abends je eine Hälfte.
(2) han shi zu fei zheng (Kälte Feuchtigkeit verstopft die Lunge)
Klinische Manifestation: niedriggradiges Fieber, unangenehmes Hitzegefühl im Körper oder leicht erhöhte Temperatur, trockener Husten, wenig Schleim, Schwäche, Erschöpfung, Druck in der Brust, blockiertes Gefühl in der Magengrube, eventuell Aufstoßen, Erbrechen, breiiger Stuhl. Zungenkörper blass oder blass-rot. Zungenbelag weiß oder weiß-fettig. Puls ru.
Empfohlene Rezeptur: cang zhu 15g, chen pi 10g, hou po 10g, huo xiang 10g, cao guo 6g, (unpräpariertes) mahuang 6g, qiang huo 10g, sheng jiang 10g, bing lang 10g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 400ml übrig bleiben, und jeden Tag davon eine Portion nehmen, morgens und abends je eine Hälfte.
2.4 Schwere Verläufe
(1) yi du bi fei zheng (epidemisches Toxin blockiert die Lunge-Muster)
Klinische Manifestation: Fieber, rotes Gesicht, Husten, Schleim gelb, zähflüssig, wenig, eventuell mit Blutspuren, Keuchen, blockierte, enge Atmung, Erschöpfung, Schwäche, trockener Mund, bitteres, pappiges Gefühl im Mund, Übelkeit, Appetitlosigkeit, unvollständige Stuhlentleerung, wenig, dunkler Urin.
Zungenkörper rot, Zungenbelag gelb, fettig. Puls hua, shu.
Empfohlene Rezeptur: (unpräpariertes) ma huang 6g, xing ren 9g, (unpräpariertes) shi gao 15g, gan cao 3g, huo xiang 10g (am Ende der Kochzeit beifügen), hou po 10g, cang zhu 15g, cao guo 10g, fa ban xia 9g, fu ling 15g, (unpräpariertes) da huang 5g (am Ende der Kochzeit beifügen), (unpräpariertes) huang qi 10g, ting li zi 10g, chi shao yao 10g.
Verabreichungsform: jeden Tag 1-2 Portionen, als Dekokt, so hergestellt, dass 100-200ml übrig bleiben, 2-4x täglich via Mund oder via Nase eingeben.
(2) qi yin liang fan zheng (verbrennendes qi und yin-Muster)
Klinische Manifestation: hohes Fieber, extremer Durst, Keuchen, enge gedrückte blockierte Atmung, Koma, Delirium, eventuell Entstehung von Maculae, ev. Hämopzysen oder Nasen
bluten, Spasmen und Krämpfe der Extremitäten.Zungenkörper rigide, wenig Belag, oder kein Belag. Puls chen, xi, shu, oder fu, da und shu. Empfohlene Rezeptur: (unpräpariertes) shi gao 30-60g (vorkochen), zhimu 30g, sheng di huang 30-60g, shui niu jiao 30g (vorkochen), chi shao yao 30g, xuan shen30g, lian qiao 15g, mu dan pi 15g, huang lian 6g, zhu ye 12g, ting li zi 15g, sheng gan cao 6g.
Verabreichungsform: als Dekokt zubereiten, so dass jedes Mal 100-200ml übrig bleiben, jeden Tag 1-2 Portionen, 2-4x täglich via Mund oder via Nase eingeben.
(Empfohlene Fertigarzneien: Verschiedene phytotherapeutische Injektionsflüssigkeiten, die nur in China erhältlich sind.)
2.5 kritische, schwere Verläufe (Blockade im Inneren, Erschlaffen im Äußeren-Muster)
Klinische Manifestationen: schwere Atmung, keuchende Stoßatmung, braucht technische Beatmungshilfe, halbkomatös, agitiert, Schwitzen mit kalten Extremitäten, Zungenkörper livid-dunkel, Zungenbelag dick, fettig oder trocken. Puls fu, da, wurzellos.
Empfohlene Rezeptur: ren shen 15g, hei shun pian (=hei fu zi) 10g, (vorkochen), shan zhu yu 15g, intubieren mit su he xiang-Pille oder mit an gong niu huang wan.
(Empfohlene Fertigarzneien: Verschiedene phytotherapeutische Injektionsflüssigkeiten, die nur in China erhältlich sind.)
2.6 Erholungsphase
(1) fei pi qi xu zheng (Lunge, Milz Leere-Muster)
Klinische Manifestationen: Kurzatmigkeit, Schwäche, Erschöpfung, wenig Appetit, Aufstoßen, Übelkeit, Völlegefühl, Blähungen, wenig Stuhldrang, breiiger Stuhl, unvollständige Entleerung.
Zungenkörper blass, aufgedunsen, Zungenbelag weiss, fettig.Empfohlene Rezeptur: fa ban xia 9g, chen pi 10g, dang shen 15g, (jiu) huang qi 30g, (chao) bai zhu 10g, fu ling 15g, huo xiang 10g, sha ren 6g (am Ende der Kochzeit beifügen), gan cao 6g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 400ml übrig bleiben, jeden Tag eine Portion, morgens und abends je eine Hälfte davon einnehmen.
(2) qi yin liang xu zheng (qi und yin Leere-Muster)
Klinische Manifestation: geschwächt, kurzatmig, trockener Mund, durstig, unruhig, eventuell Palpitationen, viel Schwitzen, wenig Appetit, niedriggradiges Fieber oder kein Fieber, trockener Husten, wenig Schleim.
Zungenkörper trocken, wenig Flüssigkeiten. Puls xi oder xu, kraftlos.Empfohlene Rezeptur: nan sha shen 10g, bei sha shen 10g, mai men dong 15g, xi yang shen 6g, wu wei zi 6g, (unpräpariertes) shi gao 15g, dan zhu ye 10g, sang ye 10g, lu gen 15g, dan shen 15g, (unpräpariertes) gan cao 6g.
Verabreichungsform: als Dekokt, so hergestellt, dass 400ml übrig bleiben, jeden Tag eine Portion, morgens und abends je eine Hälfte davon einnehmen.
Quellen:
http://www.nhc.gov.cn/xcs/zhengcwj/202003/46c9294a7dfe4cef80dc7f5912eb1989/files/ce3e6945832a438eaae415350a8ce964.pdf, abgerufen am 4.3.2020.
http://m.china.caixin.com/m/2020-03-04/101523776.html?cxw=IOS&Sfrom=Wechat &originReferrer=iOSshare&from=singlemessage&isappinstalled=0, abgerufen am 4.3.2020.
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Februar 2020
Coronavirus – Gefahr durch chinesische Arzneidrogen?
Einzelne Anfragen dazu kommen von Patienten und Fachpersonen. Das Coronavirus SARS-CoV-2 stammt offensichtlich von Tieren ab und hat sich an den Menschen adaptiert. Als Quellen wurden oder werden mitunter auch tierische TCM-Arzneidrogen benannt, wie die Schlage Bungarus multicinctus (jin qian bai hua she) oder die Schuppen des Schuppentieres Manitis Squama (chuan shan jia). Bestätigungen gibt es dafür nicht.
Wie auch immer: Eine Krankheitsübertragung in Europa durch chinesische Arzneidrogen ist extrem unwahrscheinlich. Jährlich werden aus China Waren im Wert von über 100 Milliarden Euro nach Deutschland importiert, darunter auch frische Lebensmittel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt dazu aktuell:
„Können importierte Waren aus Regionen, in denen die Krankheit verbreitet ist, Quelle für eine Infektion beim Menschen sein? Aufgrund der bisher ermittelten Übertragungswege und der relativ geringen Umweltstabilität von Coronaviren ist es nach derzeitigem Wissensstand unwahrscheinlich, dass importiere Waren wie importierte Lebensmittel oder Bedarfsgegenstände und Spielwaren, Werkzeuge, Computer, Kleidung oder Schuhe Quelle einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus sein könnten.“
Was für frische Lebensmittel gilt, gilt umso mehr für getrocknete Arzneidrogen, die schon eine Zeit der Lagerung hinter sich haben, bis sie in Deutschland ankommen, und erst recht für Granulate, die aus einem mehrstündigen Kochvorgang hervorgegangen sind. Nach aktuell best verfügbarem Wissen sind daher die Befürchtungen unbegründet.
Chinesische Medizin und Doping
Bei den olympischen Spielen in Beijing hatte eine Reihe von chinesischen TCM-Patentpräparaten zu positiven Dopingtestungen geführt. Dafür können einerseits Beimischungen von nicht deklarierten pharmakologischen Substanzen oder Verunreinigungen verantwortlich sein. Andererseits können aber auch chinesische Arzneidrogen selbst in bestimmten Fällen zu positiven Reaktionen führen. Bekannt ist das für Ephedrae Herba (ma huang) wegen der darin enthaltenen Ephedra-Alkaloide (Ephedrin, Pseudoephedrin u.a.). Eine weitere auf der Liste der World Anti-Doping Agency (WADA) aufgeführte Substanz, die in chinesischen Arzneidrogen enthalten sein kann, ist Higenamin.
Dieses ist ein Inhaltsstoff der Aconitum-Drogen, von Asarum (xi xin) und verschiedener Lotus-Drogen: Nelumbinis Plumula (lian zi xin), Nelumbinis Semen (lian zi), und Nelumbinis Folium (he ye), bei weiteren Lotusdrogen ist dieses nicht auszuschließen. Higenamin ist ein Beta1- und Beta2-Rezeptoragonist, mit dem einige pharmakologische oder auch klinische Studien gelaufen sind. Es steht anscheinend erst seit Kurzem auf der WADA-Liste. Die o.g. Drogen sollten für Leistungssportler nicht verschrieben werden, da ihre Einnahme zu einem positiven Dopingtest führen dürfte.
Interstitielle Pneumonie unter Kampo-Rezepturen
Seit dem Jahr 1989 sind aus Japan immer wieder Berichte über eine interstitielle Pneumonie erschienen, die auf Kamporezepturen zurückgeführt wurde. Der letzte Bericht stammt aus 2019. Ein großer Teil geht auf die Rezeptur sho-saiko-to zurück, die dem chinesischen xiao chai hu tang entspricht. Allerdings verwendet die Kampomedizin teilweise andere Pflanzenspezies als die Chinesische Medizin. Aber auch weitere Kamporezepturen sind mit dem Krankheitsbild assoziiert. Dieses ist durch Husten, Luftnot und Fieber gekennzeichnet. Die Entzündungswerte sind nicht wesentlich erhöht, Hinweise auf eine allergische Genese finden sich nur in einem kleinen Teil der Fälle. Das Röntgenbild zeigt milchglasartige bzw. ringförmige Verschattungen, Infiltrationen oder Kombinationen davon. Auffällig war ein höherer Anteil von Patienten mit Zustand nach Hepatitis-C-Infektion.
Nach einem Review, das 73 Fälle analysierte, kamen unter den in den Rezepturen verwendeten Komponenten Scutellariae Radix in 86%, Glycyrrhizae Radix in 85%, Ginseng in 62%, Bupleuri Radix in 59% und Pinelliae Tuber in 58% vor. Man kann daher nicht eine einzige Droge allein für die Reaktionen verantwortlich machen. Die Rezeptur gosha-jinki-gan, die in 4 % der Fälle beteiligt ist, enthält z.B. keine der genannten Einzeldrogen. In einem kleineren Teil der Fälle entwickelte sich die Reaktion in zeitlichem Zusammenhang mit einer Interferonbehandlung. Seit 1994 gilt eine Therapie mit Interferon als Kontraindikation für sho-saiko-to, 1996 sprach das japanische Gesundheitsministerium eine offizielle Warnung aus. Interessanterweise stehen die beteiligten Rezepturen auch in Zusammenhang mit Leberreaktionen in Japan, auch hier führt das häufig gerade bei schon bestehendem Leberschaden verschriebene sho-saiko-to die Statistik an.
Für die Verhältnisse in Europa hat die interstitielle Pneumonie zumindest bislang keine Rolle gespielt. Man sollte diese Nebenwirkung jedoch im Blick haben, falls entsprechende Symptome auftreten. Leberreaktionen unter ähnlichen Rezepturen kommen jedoch auch bei uns vor, so eine an das CTCA gemeldete Reaktion unter einer erweiterten Form von xiao chai hu tang. Nähere Einzelheiten zum Thema „Interstitielle Pneumonie und Kampo-Medizin“ finden Sie auf unserer Website hier.
Mit besten Grüßen,
Axel Wiebrecht
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April 2019
Urteil nach langjährigen Gerichtsverfahren zu Kava-Kava
2002 wurde durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) das Ruhen der Zulassungen von Kava-Kava-Präparaten wegen Lebertoxizität angeordnet. Die Beurteilung stützte sich auf eine Reihe von Fallmeldungen, die aber nie im Detail aufgearbeitet wurden. Vielmehr fand nur eine Ad-hoc-Bewertung statt. Wissenschaftler zeigten auf, dass die Kausalität für die Leberschäden durch Kava-Kava nur in den wenigsten Fällen belegbar war. Mit dem Argument, dass die Studien zum Wirksamkeitsnachweis von Kava-Kava nicht den aktuellen Anforderungen genügten, wurde die Wirksamkeit als nicht belegt eingestuft, so dass auch das geringste Risiko nicht zu tolerieren sei. Kava-Kava wurde gar als ein neuer und unbekannter Wirkstoff eingestuft, für dessen Zulassung die komplette präklinische Dokumentation einzureichen wäre. Als therapeutische Alternative wurde auf die Benzodiazepine(!) verwiesen.
Die Hersteller legten Widerspruch gegen diese Entscheidung ein. Dieser wurde jedoch von der Behörde über Jahre verschleppt und erst 2012 unter dem Druck einer Untätigkeitsklage ablehnend beschieden. Erst dann konnten die Zulassungsinhaber gegen den Bescheid Klage einreichen. Das angerufene Gericht entschied 2014, dass Zweifel an der Wirksamkeit eines zugelassenen Arzneimittels nicht eine negative Nutzen-Risiko-Abwägung wegen fehlender Wirksamkeit begründen könne. Das Risiko der Hepatotoxizität sei angesichts der Verordnungszahlen allenfalls als „selten“ bis „sehr selten“ zu klassifizieren. Das Ruhen der Zulassung wurde aufgehoben und auf die Möglichkeit einer Risikobegrenzung durch Auflagen verwiesen – eine veritable Blamage für das BfArM.
Die Behörde nutzte nun ihre Befugnis zur Auflagenerteilung, indem es diese in einem Ausmaß betrieb, das einem wirtschaftlichen Aus gleichkäme: Die Mittel wurden unter Rezeptpflicht gestellt und die Anwendungsdauer auf 1 Monat, in Ausnahmefällen auf 2 Monate begrenzt. Bei geplanter Anwendung von Kava-Kava seien zwingend die Leberwerte vor der Behandlung und danach wöchentlich zu kontrollieren. In der Packungsbeilage sei in einem an die Patienten gerichteten speziellen Warnhinweis auf Leberschäden in Einzelfällen „bis hin zu Leberversagen mit lebensbedrohlichem Ausgang (inkl. Todesfälle)“ hinzuweisen sowie eine Terminkarte für die Leberwertkontrollen aufzunehmen.
Dagegen wiederum klagten die Zulassungsinhaber. Das Urteil ist nun raus, die Urteilsbegründung wurde im Februar verkündet. Danach hat das Gericht diese Maßnahmen nur etwas entschärft, indem die Leberwerte nur noch 2-wöchentlich zu überprüfen sind und die Terminkarte entfällt. Ein Urteil, das nicht wirklich befriedigt, wenn man die Formulierung im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln, die mit am häufigsten zu schweren Leberschäden führen, betrachtet. So heißt es in der Packungsbeilage von Amoxicillin/Clavulansäure unter Nebenwirkungen: „Entzündung der Leber (Hepatitis), Gelbsucht, verursacht durch eine Zunahme des Bilirubins (einer von der Leber gebildeten Substanz) im Blut, was eine Gelbfärbung Ihrer Haut und der weißen Augenabschnitte verursachen kann“. Ein spezieller Warnhinweis oder ein Hinweis auf Leberversagen oder Todesfälle fehlt. Die europäische Datenbank Eudravigilance enthält zu dieser Substanz über 3800 Eintrage mit hepatobiliären Nebenwirkungen, darunter 115 Fälle von Leberversagen. Das Beispiel Kava-Kava lässt befürchten, dass das BfArM auch im Falle anderer Naturheilmittel den Boden rationaler Bewertungsmaßstäbe verlässt.
Quelle: Verwaltungsgericht Köln, 7 K 7369/15
Kein Lobelin in Lobelia chinensis Herba (ban bian lian)
Lobelin ist ein toxisches Alkaloid, das von der westlichen Spezies Lobelia inflata her bekannt ist. Diese ist eine stark giftige Pflanze, schon 4g der Blätter können tödlich wirken (Lewin 1897). Lobelia inflata wurde früher bei uns und wird teilweise noch im Ausland als Heilmittel angewendet, die Maximaldosis liegt bei ca. 0,3g pro Tag. Die chinesische Droge Lobelia chinensis Herba (ban bian lian) ist davon zu unterscheiden. Auch dieser wurde ein Gehalt von Lobelin zugeschrieben. Eine aktuelle Studie widerspricht jedoch dieser These, sie konnte kein Lobelin nachweisen. Lobelia chinensis Herba (ban bian lian) gehört in die Kategorie der Feuchtigkeit ausleitenden Drogen, die Tagesdosis liegt bei 9 bis 15g. Im Ben Cao Gan Mu wird die Droge als „nicht toxisch“ qualifiziert. Als Kontraindikation gilt ein Schwäche (xu)-Syndrom. Nebenwirkungen lt. Wang et al.: Bei Einnahme höherer Dosen können Bauchschmerzen und Durchfall auftreten. Wechselwirkungen sind nicht bekannt.
Wang H, Li Y, Huang Y, Zhao C, Cheung HY. Chemical Profiling of Lobelia chinensis with High-Performance Liquid Chromatography/Quadrupole Time-of-Flight Mass Spectrometry (HPLC/Q-TOF MS) Reveals Absence of Lobeline in the Herb. Molecules. 2018;23(12).
Häufigkeit von Leberschädigungen in China durch Chinesische Arzneitherapie, pflanzliche Produkte und Nahrungsergänzungsmittel
Eine neue retrospektive Studie trug 25.927 Fälle von Arzneimittel-induzierten Leberschädigungen zusammen, die in 308 medizinischen Einrichtungen Chinas während eines stationären Aufenthaltes neu auftraten. Eine frische Hepatitis A-, B-, C-, E-, CMV-, EBV-, HPV-Infektion, ein M. Wilson und eine Autoimmunhepatitis wurden ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen verdächtigtem Arzneimittel und der Leberreaktion wurde mittels des international favorisierten RUCAM-Scores ermittelt. Es wurden nur Patienten eingeschlossen, die mindestens einen Score von 6 hatten, d.h. mit einem wahrscheinlichen oder sehr wahrscheinlichen Zusammenhang, oder bei denen von mindestens zwei von drei Hepatologen die Kausalität als „wahrscheinlich“ beurteilt wurde.
Arzneimittel der Chinesischen Arzneitherapie zusammen mit Produkten der tibetischen, mongolischen und Naturmedizin und Nahrungsergänzungsmitteln hatten einen Anteil von 26,81% an den Fällen, in weiteren ca. 7% der Fälle wurden westliche Mittel gleichzeitig eingenommen. Darunter sind 44 Todesfälle, in denen TCM-Mittel beteiligt oder mitbeteiligt waren. Bei den weitaus meisten wurden die Bestandteile als „nicht bekannt“ ausgewiesen. Unter den wenigen bekannten Mitteln sind auch einige Injektionspräparate und sehr toxische Mittel, z.B. Gynura segetum (tu san qi), das bei uns wegen hoher Pyrrolizidinalkaloid-Gehalte verboten wäre.
Kommentar: Ein Mangel der Studie ist, dass das Ausmaß der „Leberschädigung“ nicht definiert ist, z.B. anhand der Erhöhung des ALT-Wertes. Ferner verwundert es sehr, dass in den weitaus meisten Fällen die Ingredienzien der TCM-Mittel nicht bekannt sind. Schließlich handelt es sich um Fälle, die während eines stationären Aufenthaltes neu auftraten. Man sollte daher annehmen, dass diese Mittel ärztlich verordnet wurden und zu identifizieren sein sollten. Es ist unwahrscheinlich, dass stationäre Patienten die Mittel in diesem Ausmaß selbständig eingenommen haben. Wenn die Ingredienzien nicht bekannt waren, ist die Kausalität mittels RUCAM-Score auch schwerer zu ermitteln. Aus diesen Gründen erscheint mir die Studie weniger zuverlässig. Dennoch: der Anteil von 26% an Leberschädigungen durch TCM-Mittel (die sonstigen darunter subsumierten Mittel dürften einen geringen Anteil haben) entspricht in etwa dem Durchschnittswert, der aus vielen vorangehenden Studien hervorgeht. Insgesamt traten die Leberschädigungen bei 1,6 Promille der stationären Patienten auf. Zum Vergleich: In der TCM-Klinik Kötzting lag der Anteil bei 1,2 Promille
(s. https://www.ctca.center/index.php/de/aktuelles/umfangreiche-daten-fragwuerdige-schlussfolgerungen-kommentar-einer-studie-zur-hepatotoxizitaet-chinesischer-arzneidrogen).
Shen T, Liu Y, Shang J, et al. Incidence and etiology of drug-Induced liver injury in mainland China. Gastroenterology 2019. https://www.gastrojournal.org/article/S0016-5085(19)30364-6/pdf
Pyrrolizidinalkaloide (PA) in Artemisia capillaris (yin chen)
Eine neue Studie untersuchte die PA-Konzentration in Artemisia capillaris (yin chen). Pyrrolizidinalkaloide (PA) kommen in viele Pflanzenarten vor, z.B. in Huflattich und Beinwell. Sie sind dosisabhängig hepatotoxisch und karzinogen. Unter den relevanten chinesischen Arzneidrogen kommen sie außer in Huflattichblüten (kuan dong hua) in Arnebiae Radix (zi cao) und in Eupatorii Herba (pei lan) vor. In der Regel können diese Drogen die bei uns gültigen Grenzwerte nicht einhalten und sind dann nicht vertriebsfähig. Anscheinend wurde die PA-Konzentration in Artemisia capillaris (yin chen) jetzt zum ersten Mal untersucht. Der Pflanzenteil wird nicht explizit bezeichnet, man kann aber davon ausgehen, das es herba ist. Etwa die Hälfte der Proben hat die Werte der europäische Arzneimittelagentur EMA überschritten, wenn man die Maximaldosierung zugrunde legt. Einige Proben wiesen hohe Gehalte auf.
Kommentar: Interessant ist, dass sich die chinesischen Autoren an den Grenzwerten der europäischen Arzneimittelagentur orientieren. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wird zitiert. In China werden noch Arzneidrogen mit sehr hohen PA-Werte verwendet, doch gibt es diesbzgl. kritische Stimmen. Konsequenterweise müssen nun wohl auch in Artemisia capillaris (yin chen) PA-Gehalte bestimmt werden, was eine Verteuerung der Droge zur Folge haben wird.
Chen LH, Wang JC, Guo QL et al. Simultaneous determination and risk assessment of pyrrolizidine alkaloids in Artemisia capillaris Thunb. by UPLC-MS/MS together with chemometrics. Molecules 2019, 24(6): E1077; doi:10.3390/molecules24061077
Chinesische Behörden gehen gegen unlautere Praktiken bei traditionellen Arzneimitteln vor
Die renommierte staatseigene Firma Tong Ren Tang gilt in China als Referenz für die Lieferung qualitativ hochwertiger traditioneller Arzneien, Arzneiausgangsstoffe für klinische Studien werden häufig von dort bezogen. Nun stellte eine Überprüfung durch die Beijing Commission for Discipline Inspection of the Communist Party of China fest, dass die Firma Honig vertrieb, der das Haltbarkeitsdatum überschritten hatte. Der Zulieferer, gegründet 1669, hatte den abgelaufenen Honig geliefert und Tong Ren Tang hatte es versäumt, den Zulieferer zu kontrollieren. Die Kennzeichnung des Haltbarkeitsdatums war ausgetauscht worden. Die Kommission stellte ein chaotisches internes Management fest und befand, dass die Reputation der Chinesischen Arzneitherapie beschädigt wurde. 2016 hatte eine andere Untersuchung festgestellt, dass Manuka-Honig aus Neuseeland von Tong Ren Tang mit Sirup gestreckt worden war. Fünf Verantwortliche wurden degradiert bzw. entlassen. Tong Ren Tang musste 4 Millionen Yuan (2.07 Millionen $) Strafe zahlen. Die Business-Lizenz von Beijing Tong Ren Tang Bee Industry wurde widerrufen und kann nicht vor Ablauf von 5 Jahren erneuert werden.
Ein weiteres Problem ist die ausufernde Beanspruchung unbewiesener Indikationen für chinesische Fertigarzneimittel. Die State Administration of Traditional Chinese Medicine wies die lokalen Behörden an, Produkte und deren Vermarktung streng zu kontrollieren und die Verantwortlichen für „fake advertising“ zu bestrafen. Auslöser war ein Hersteller aus Tianjin, der öffentliches Aufsehen erregte, weil er irreführende Angaben zu seinen Produkten über eine Online-Plattform verbreitet hatte. Danach wurde einem Produkt der Firma eine Anti-Krebswirkung zugeschrieben. Ein 7jähriges Mädchen erlag 2015 seinem Krebsleiden, nachdem es seine Chemotherapie ausgesetzt hatte und auf das Produkt gewechselt hatte. Sein Vater hatte den Versicherungen des Firmenchefs vertraut. 3 Monate nach Anwendung des Mittels wurden Fernmetastasen festgestellt. Online-Darstellungen der Firma behaupteten, das Mädchen sei geheilt.
China Daily, http://global.chinadaily.com.cn/a/201902/13/WS5c635b26a3106c65c34e8fba.html, http://www.chinadaily.com.cn/a/201812/29/WS5c26abc3a310d91214051912.html und http://www.chinadaily.com.cn/a/201812/28/WS5c258238a310d912140516cc.html
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Mai 2018
Gefährliche Herzrhythmusstörungen unter Evodia rutaecarpa?
Eine Meldung der Neuen Züricher Zeitung und der Aargauer Zeitung vom 2.5.2018 klingt alarmierend. Forscher aus den Universitäten Basel und Wien hätten unter den in der chinesischen Heilpflanze Evodia rutaecarpa in höheren Konzentrationen vorkommenden Inhaltsstoffen Dehydroevodiamin und Hortiamin Blockierungen der Kaliumkanäle des Herzmuskels festgestellt, die schwere Herzrhythmusstörungen, wie Torsades de pointes (TdP) oder Kammerflimmern und damit plötzlichen Herztod auslösen könnten. Das Entstehen schwerer Herzrhythmusstörungen hätten Forscher der Universität Utrecht an Hunden bestätigen können. „Der plötzliche Herztod sei heimtückisch und könne bereits innerhalb von zehn Minuten nach dem Beginn der TdP-Arrhythmie eintreten, sagt Steffen Hering von der Universität Wien. Die auslösende Herzrhythmusstörung sei nur mithilfe eines EKG feststellbar und natürlich nur dann, wenn der Patient die Klinik noch lebend erreiche. Deshalb sei es im Nachhinein kaum möglich, zu entdecken, dass der Herztod aufgrund einer solchen Störung entstanden sei und mit der Einnahme des Evodia-Präparats in Verbindung stehe. Auf den Erfahrungsschatz der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), auf den praktizierende Ärzte oft verwiesen, könne man sich bei Evodia daher keinesfalls verlassen, so Steffen Hering.“
Die Meldung geht zurück auf eine kürzliche Veröffentlichung von Baburin et al. (1) in der Zeitschrift Pharmacological Research. Diese hatte Ergebnisse mit methanolischem Extrakt und den Reinsubstanzen Dehydroevodiamin und Hortiamin in Zellversuchen und an Kaninchen und Hunden beschrieben. Das CTCA hatte diese Veröffentlichung bereits zuvor analysiert und konnte innerhalb von Stunden auf die Zeitungsartikel mit einem Leserbrief reagieren.
Leserbrief zu „Bei einer Substanz der chinesischen Medizin ist Vorsicht geboten“, NZZ vom 02.05.2018
Unnötige Panikverbreitung
Der Artikel beschwört Gefahren von der chinesischen Heilpflanze Evodia rutaecarpa ausgehend herauf, die bis hin zum plötzlichen Herztod reichen sollen. Die experimentellen Tierversuche sind jedoch aus mehreren Gründen nicht auf die Therapiesituation beim Menschen übertragbar.
(1) Bei den Versuchen wurden ein Methanol-Extrakt oder isolierte Reinsubstanzen verwendet, die sich stark von einer Abkochung unterscheiden, wie sie in der Traditionellen Chinesischen Medizin üblich ist.
(2) In der Chinesischen Medizinist eine leichte Toxizität dieser Arzneipflanze bekannt, daher wird sie einer spezielle Zubereitung unterzogen, die sie entgiftet. In der rohen Form wird sie ausschließlich äußerlich angewendet.
(3) Für die Anwendungam Menschen liegt für Evodia rutaecarpa in der Chinesischen Medizineine umfangreiche Erfahrung von mindestens 1800 Jahren vor, sie wurde bereits im ersten Arzneibuch der Geschichte, dem Shennong Bencao Jingerwähnt. Ernste Herzrhythmusstörungen wurden dabei, soweit wir das feststellen konnten, nicht beobachtet. Der erwähnte Forscher Steffen Hering argumentiert, der Herztod könne so schnell eintreten, dass die Ursache des Todes der Aufklärung entgangen sein könnte. Er übersieht, dass in sehr viel zahlreicheren Fällen zunächst einmal weniger schwere Herzrhythmusstörungen zu erwarten wären. Da eine subtile Pulsdiagnose eine der wichtigsten diagnostischen Säulen der Chinesischen Medizinist, wäre eine Pulsunregelmäßigkeit oder eine andere gefährliche Arrhythmie mit Sicherheit aufgefallen.
Bisweilen wurden Nebenwirkungenin vormoderner Zeit nicht erkannt, wenn sie mit deutlicher zeitlicher Verzögerung oder erst bei chronischer Anwendungauftraten. In diesem Fall handelt es sich jedoch um eine Sofortwirkung, deren Zusammenhang mit einer Heilkräutereinnahme unmittelbar augenfällig gewesen wäre.
Eine chinesische Arbeit (Wang 2016) untersuchte systematisch sämtliche Veröffentlichungen der letzten 30 Jahre überNebenwirkungender chinesischen Arzneimittelgruppe, der Evodia rutaecarpa angehört, aus chinesischen Datenbanken und der US-amerikanischen Pub Med. Zu Evodia rutaecarpa fanden sich gerade 2 Berichte über Nebenwirkungen. Im ersten Fall wurde der normale Dosisrahmen von 1,5 bis 4,5g mit 12g deutlich überschritten, im zweiten Fall lag mit 6g ebenfalls eine Dosisüberschreitung vor, zusätzlich wurden 10g einer Aconit-Droge verabreicht, die über ähnliche Mechanismen auf das Herz einwirkt. Im ersten Fall kam es zu moderaten Nebenwirkungen, u.a., was das Herz anbelangt, zu Herzklopfen, im 2. Fall zu verlangsamten Puls. Die von den Forschern angegebenen gefährlichen Herzrhythmusstörungen wurden, soweit wir feststellen konnten, nirgendwo beobachtet, geschweige denn Todesfälle.
Bei vorschriftsmäßiger Anwendungbesteht kein Grund zur Besorgnis. Die langen Erfahrungen beim Menschen sagen sehr viel mehr aus als Tierversuche mit nicht-therapieadäquaten Substanzen oder Zubereitungen. Allerdings würde ich von einer gleichzeitigen Verabreichung mit Digitalispräparaten oder Arzneimitteln, die auf den Herzrhythmus einwirken, abraten.
Dr. Axel Wiebrecht
Erster Vorsitzender des Centrums für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA), Berlin
Quellen:
(1)https://reader.elsevier.com/reader/sd/1E51F82C695A90DB9A929B02BD30B11F85A16C5D04C5AFA94D9049115FDBB416F746640912A0AE06297CEE6AB28D286E(2) Wang Y. [Chinese materia medica for warming the interior: Safety analysis and pharmacovigilance considerations] (Chinese). Zhonghua Zhong Yiyao Zazhi 2016;31(7):2688-93
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Februar 2018
Drohendes AUS für TCM- Granulate in Deutschland –
offener Brief an die Pharmazieräte und Entscheidungsträger
Über zunehmende Einschränkungen des Vertriebs von TCM-Granulaten in Deutschland haben wir bereits im letzten CTCALetter berichtet. Angefangen in Bayern, haben inzwischen viele TCM-Apotheken in unterschiedlichen Bundesländern Vertriebsverbote erhalten oder angekündigt bekommen. Es droht ein flächendeckendes AUS.
Hintergrund ist, dass zusätzlich zu bereits vorliegenden validen Zertifikaten eine zweite Identitätsbestimmung der verwendeten Pflanzenspezies in der Apotheke vorgenommen werden muss. Bisher angewandte Verfahren werden dafür nicht mehr anerkannt und sind auch laut Fachleuten nicht ausreichend. Doch statt sich darauf zu beschränken, Verwechslungen der bereits von anerkannten Instituten geprüften Drogen auszuschließen, besteht man auf anspruchsvollen Verfahren wie der Dünnschichtchromatografie (DC). Diese ist sehr aufwändig bzgl. Personal und Materialien (Referenzsubstanzen) und wird von den Apotheken allgemein als wirtschaftlich nicht vertretbar angesehen. Konsequenz wäre, dass Granulate zunehmend aus unsicheren EU-Ländern oder aus Drittländern bezogen werden, wo sie unzureichend geprüft sind und oft auch nicht von Apotheken abgegeben werden.
Wesentliche Fachgesellschaften für Chinesische Medizin und das CTCA haben daher einen offenen Brief an die Pharmazieräte, Amtsapotheker und Entscheidungsträger in Deutschland verfasst, der hier nachzulesen ist.
Gegenwärtig laufen, soweit uns bekannt, Gespräche einzelner Apotheken und der TCM-Apo AG mit Entscheidungsträgern über die Durchführung der Dünnschichtchromatografie. Auch wenn sich einige (große) Apotheken darauf einlassen sollten, würde es die Bezugsmöglichkeiten drastisch einschränken und die Granulate erheblich verteuern, so dass sie gegenüber ausländischen Lieferanten, die diesen Bestimmungen nicht unterliegen, nicht konkurrenzfähig wären. Voraussehbare Folge wäre ein massiver Trend zur Bestellung aus Quellen, vor denen wir immer wieder gewarnt haben. (Wohlgemerkt: Es gibt auch ausländische Lieferanten mit hervorragender Qualität!).
Die Unterzeichner des offenen Briefes befürworten ein einfaches Verfahren, das sich darauf beschränkt, Verwechslungen der bereits geprüften Granulate auszuschließen. Wie das am besten zu geschehen hat, bleibt pharmazeutischem Sachverstand vorbehalten und sollte zwischen Entscheidungsträgern und Apotheken vereinbart werden. TCM-Sachverstand und Augenmaß werden dabei von uns angemahnt.
Neue groß angelegte Studie zu Leberreaktionen unter Chinesischer Arzneitherapie erschienen
Eine jüngst veröffentlichte Studie von Melchart und Koautoren (2017) untersuchte die Häufigkeit hepatotoxischer Reaktionen in der TCM-Klinik Kötzting von 1994 bis 2015. Es wurden 21.740 Patientenfälle ausgewertet. Ein Leberenzymanstieg über den Normbereich hinaus trat in 3,93% der Fälle auf, eine Leberschädigung mit mindestens 5fachem Anstieg der ALT bei 26 Patienten (0,12%). Eine Erhöhung des ALT-Wertes bis zum 5fachen des oberen Normwertes wurde als Anpassungsreaktion der Leber gewertet, ein darüber liegender Anstieg als Leberschädigung. Unter den eingenommenen Arzneidrogen fielen Bupleuri Radix (chai hu) und Scutellariae Radix (huang qin) besonders auf, sie waren in je 7 der „wahrscheinlichen“ und „möglichen“ Fälle beteiligt, in 12 Fällen davon waren sie gemeinsam vertreten.
Die Studie enthält eine bisher nicht gekannte Datenqualität für die Abschätzung eines Hepatotoxizitätsrisikos chinesischer Arzneidrogen. Die vorgenommenen Evaluationen sind jedoch teilweise fehlerhaft. Eine kritische Analyse mit Neubewertung der Ergebnisse findet sich hier.
Als wahrscheinlich muss man nun eine – wenn auch seltene - Hepatotoxizität von Bupleuri radix oder Scutellariae radixoder von beiden Drogen zusammen postulieren, wobei eine weitere Differenzierung zurzeit nicht möglich ist. Eine mögliche Hepatotoxizität ist auch für normale Dosierungen von Toosendan fructus (chuang lian zi) anzunehmen, die bisher nur für Überdosierungen galt. Arzneimittel-bedingte Leberreaktionen treten üblicherweise zwischen 5 und 90 Tagen nach Behandlungsbeginn auf, mitunter auch noch nach Beendigung der Behandlung.
Diese Hinweise sollten Ihnen nicht die Freude an der faszinierenden Therapierichtung Chinesische Arzneitherapie nehmen, sondern dazu beitragen, diese ein Stück sicherer zu machen.Mit besten Grüßen, Ihr Axel Wiebrecht
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März 2017
Liefereinschränkungen bei chinesischen Granulaten in Deutschland
In letzter Zeit mussten verschiedene Apotheken, insbesondere in Bayern, den Vertrieb chinesischer Granulate einstellen. Hintergrund sind neue Anforderungen der Pharmazieräte an den Vertrieb von Granulaten, die in den verschiedenen Bundesländern jedoch unterschiedlich gehandhabt werden. Bei wortgetreuer Umsetzung der Anforderungen sind die Hürden so beschaffen, dass sich die betroffenen Apotheken nicht mehr in der Lage sehen, diese unter realistischen Bedingungen zu nehmen und den Vertrieb einstellen. Besonders die laut Apothekenbetriebsordnung von den Apotheken vorzunehmende Identitätsfeststellung eingesetzter Rezepturbestandteile spielt eine tragende Rolle.
In § 11 der Verordnung heißt es:
„Werden Ausgangsstoffe bezogen, deren Qualität durch ein Prüfzertifikat nach § 6 Abs. 3 nachgewiesen ist, ist in der Apotheke mindestens die Identität festzustellen.“Die Apotheken sind danach gehalten, zusätzlich zur Identitätsfeststellung und anderen Qualitätsprüfungen durch externe Institute selbst die Identität in der Apotheke noch einmal zu bestätigen. Während es für Rohdrogen häufig machbar ist, dieses mittels Sicht-, Geschmacks- und mikroskopischer Prüfung zumindest mit dem Ziel Ausschluss von Verwechslungen durchzuführen, ist das bei Granulaten nicht so einfach möglich. Bisher wurde von vielen Apotheken das Nahinfrarotspektroskopie-Verfahren eingesetzt. Dieses liefert jedoch nach Auskunft von Fachleuten keine zuverlässigen Ergebnisse. Auf einer Sitzung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte in Deutschland wurde dieses unterstrichen und eine Reihe von weiter reichenden Anforderungen an Granulate formuliert. Danach sollen für Granulate u.a. das Herstellungsverfahren, das Droge-Extrakt-Verhältnis, Hilfsstoffe und Zusätze, die Art der Granulatherstellung, ob Lochscheiben-, Wirbelschicht- oder Sprühgranulierung angewandt wurde, und Gehaltsbestimmungen angegeben werden.
Als Organisation primär von Therapeuten können wir zu rein pharmazeutischen Fragestellungen wie geeigneten Verfahren zur Identitätsfeststellung nicht kompetent Stellung nehmen. Dennoch möchten wir allgemein gehaltene Feststellungen dazu treffen.
Nach den gültigen Vorschriften müssen Granulate vom Importeuer bzw. beauftragten EU-anerkannten Instituten auf Identität sowie Unbedenklichkeit hinsichtlich mikrobiologischer Belastung, Kontaminationen durch Schwermetelle, Pestizide, ggfs. auch Aflatoxine geprüft werden. Die Apotheke hat dieses durch Vorhalten entsprechender Zertifikate nachzuweisen. Wenn von der Apotheke ein weiterer Nachweis der Identität gefordert wird, kann es nur um den Ausschluss von Verwechslungen durch Falschetikettierung gehen. Diese Fehlermöglichkeit ist durch automatisierte Herstellungs- und Kontrollprozesse und die Identitätsprüfung seitens des Importeurs relativ unwahrscheinlich. Um ein Restrisiko zu beherrschen, sollte sich das Verfahren in der Apotheke dem Ziel unterordnen, den Ausschluss von Verwechslungen sicherzustellen. Im CTCA haben wir keine Meldungen oder Kenntnis von Vorfällen erhalten, wo durch falsche Identitätsbestimmungen chinesischer Arzneidrogen in der Apotheke Personen geschädigt worden wären. Auch bei korrekter Identität sind allerdings Fehler bei der Zusammenstellung von Rezepturen möglich, denen durch andere Vorkehrungen zu begegnen ist.
Weitergehende Anforderungen, wie sie die Pharmazieräte formuliert haben, halten wir teilweise für sinnvoll, andere für überstrapaziert. Qualitätsanforderungen sollten der Sicherheit dienen, aber den Zugang der europäischen Bürger zu Heilmitteln, die ihrer Gesundheit dienen, nicht unangemessen behindern. In der Art der Granulatherstellung, ob durch Lochscheiben-, Wirbelschicht- oder Sprühgranulierung, können wir keine sicherheitsrelevanten Aspekte oder sonstige zwingend notwendige Erfordernisse erkennen. Wir wären sehr überrascht, wenn dafür eine Evidenz demonstriert werden könnte.
Gehaltsbestimmungen sind aus unserer Sicht für den therapeutischen Zweck wenig hilfreich, da die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe häufig nicht bekannt sind, was auch für zugelassene und unumstrittene Phytotherapeutika wie z.B. Johanniskraut gilt. Nach geltender Auffassung ist der gesamte Extrakt mit allen darin enthaltenen Bestandteilen als Wirkstoff anzusehen. Die Inhaltsstoffe chinesischer Arzneidrogen sind gut erforscht und in Zehntausenden von Publikationen dokumentiert. Sie weisen natürlicherweise je nach Anbaubedingungen eine Schwankungsbreite auf, mit der sie auch traditionell angewendet wurden. Meist haben sie eine große therapeutische Breite. Anders verhält es sich bei Arzneidrogen mit toxischen Potenzial. Hier sind Gehaltsbestimmungen der toxischen Inhaltstoffe in bestimmten Fällen erforderlich, aber unseres Wissens auch üblich, so z.B. der Diester-Diterpenakaloide bei den Aconitum-Drogen.
Überstrapazierte Qualitätsanforderungen an Granulate dienen nicht der Sicherheit, sondern bewirken letztlich das Gegenteil. Anfragen an das CTCA zeugen davon, dass sich schon jetzt manche Therapeuten nach Bezugsalternativen aus dem Ausland umsehen aus EU-Ländern, die weniger strenge Arzneimittelauflagen haben und weitgehend auf Kontrollen verzichten, oder gar aus Drittländern über das Internet. Wir warnen seit Jahren vor dem Bezug aus diesen oft preisgünstigen Quellen und versuchen darüber aufzuklären, dass dieser durch Qualitätsrisiken erkauft wird. Eine Einschränkung oder gar ein faktisches Verbot der Bezugsmöglichkeiten für Granulate in Deutschland würde das gemeinsame Anliegen einer Arzneimittelsicherheit ernsthaft gefährden.
Stellungnahme des CTCA zu einem grob verharmlosenden Artikel über die Aristolochia-Toxizität
In der „Naturheilpraxis“, Ausgabe Dezember 2016, erschien ein Artikel zur Toxizität von Arzneidrogen der Gattung Aristolochia. Darin behauptet der Autor Chris Dhaenens, dass die Nierentoxizität von Aristolochia akuter und reversibler Art sei, hauptsächlich auf die Verwendung von Serotonin-haltigen Arzneimitteln zurückgehe, und die kanzerogenen Eigenschaften von Aristolochiasäure nur bei Nagetieren festgestellt worden seien.
Bei diesen Thesen handelt es sich um eine grobe Verkennung von Tatsachen und eine unverantwortliche Verharmlosung des Problems. Wenige Zusammenhänge in der Medizin sind so gut aufgeklärt, wie die ausgeprägte Nephrotoxizität und Kanzerogenität der Aristolochia-Drogen. Eigentlich sollte das Aristolochia-Problem der Vergangenheit angehören, nachdem die entsprechenden Drogen und Arzneimittel in vielen Ländern der Welt, einschließlich China und Taiwan, verboten sind.
Nachdem die Vorfälle in Belgien Anfang der 1990’er Jahre bekannt wurden, die in über 100 Fällen zu terminaler Niereninsuffizienz und in ca. 40% davon zu Krebs der ableitenden Harnwege geführt hatten, wurden Fälle aus der ganzen Welt aufgedeckt, in China kam es zu mehreren 1000 Fällen von „Aristolochia-Nephropathie“. Die Zusammenhänge wurden durch Dosis-Wirkungs-Beziehungen, epidemiologische Studien und Tierversuche untermauert und der Wirkungsmechanismus bis auf die molekulare Ebene heruntergebrochen.
Das CTCA hat eine Stellungnahme zu dem Artikel in der „Naturheilpraxis“ verfasst, die sich detailliert mit den Argumenten des Autors auseinandersetzt und unter
http://www.ctca.de/index.php/de/aktuelles/aristolochia-boesartige-luege-oder-bittere-wahrheit
nachzulesen ist. Jüngeren TCM-Anhängern sind die belgischen Fälle und die Auseinandersetzung mit dem Aristolochiaproblem möglicherweise kaum bekannt. Für die Glaubwürdigkeit der TCM-Welt ist es wichtig, in dieser Sache Klarheit zu schaffen und Gegnern keine Berechtigung zu geben, immer wieder bei jeder unpassenden Gelegenheit der Chinesischen Medizin ein Sicherheitsproblem anzulasten.
Sie können diesen CTCALetter gern an TCM-Fachkolleginnen und –kollegen weiterleiten und/oder sich für den Weiterbezug des Newsletters anmelden (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).
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Oktober 2016
Hier finden Sie eine neue Ausgabe des CTCAletters. Das CTCA versendet in unregelmäßigen Abständen einen Newsletter mit aktuellen Meldungen zu Sicherheit, Wirksamkeit und weiteren Themen rund um die Chinesische Arzneitherapie.
Aktuelle Zahlen zur TCM/Chinesischen Arzneitherapie (CA) in China
Seit 2008 hat die chinesische Regierung 1.6 Mrd. US-$ für den Aufbau nationaler klinischer Forschungszentren investiert, die internationalen Standards genügen. Derzeit gibt es 88 Institutionen (davon 11 nationale), die auf CA spezialisiert sind, mit 12.000 akademischen Beschäftigten und 3500 Wissenschaftlern im Assistenzprofessor- oder Professorenstatus. An 42 TCM-Universitäten studieren 590.000 Studenten (in 2014; zum Vergleich in 2009: 435.780), davon 4440 Doktoranden, 35.001 Masterstudenten, 369.430 Bachelorstudenten, über 5000 Studenten sind aus dem Ausland.
Die TCM-Pharmaindustrie hat in den letzten 20 Jahren eine Wachstumsrate von durchschnittlich 20% pro Jahr gehabt, 2500 Firmen stellen über 5000 Arten von Fertigarzneimitteln her. 2014 überschritt der Umsatz 120 Mrd. US-$ (Fertigarzneimittel und Rohdrogen), das sind 31% Anteil am gesamten chinesischen Pharmamarkt. Die Hauptumsatzbereiche sind kardiovaskuläre, Krebs-, Atemwegs- und gynäkologische Mittel.
Mit zunehmendem Anteil überwiegen die Fertigarzneimittel, 5 Mittel überschreiten einen Umsatz von 0.5 Mrd. US-$, darunter 2 Injektionsmittel. 203 Rezepturen und 1000 Fertigarzneimittel werden von den Krankenkassen erstattet. Über 80% der CA-Produkte stammen aus Kulturanbau.Das Exportvolumen von TCM-Mitteln betrug 2014 3.2 Mrd. US-$. Einige Mittel sind im Ausland registriert (in Singapur, Cuba, Vietnam, Vereinigte Arab. Emirate, Russland). Einige Firmen haben Zulassungsanträge in den USA gestellt, zwei Präparate (Danshen dropping pills, Xuezhikang Capsules) befinden sich in klinischer Prüfung der Phase II in den USA. Mit 100 Ländern bestehen Forschungskooperationen (2014).
Dang H, Wang Q, Wang H et al. The Integration of Chinese Materia Medica into the Chinese Health
Care Delivery System, an Update. Phytother Res 2016;30:292-7Zurückweisung wissenschaftlich nicht haltbarer „Hepatotoxizität“ chinesischer Arzneien
Als Erstautor zusammen mit verschiedenen Koautoren hat der Hepatologe Rolf Teschke seit 2014 mindestens 5 Veröffentlichungen in internationalen Zeitschriften über die angebliche Hepatotoxizität chinesischer Arzneidrogen bzw. Kombinationsmittel veröffentlicht. In sonstigen Arbeiten besteht Herr Teschke immer sehr akribisch auf einem sauberen Kausalitätsnachweis zwischen verdächtigtem Arzneimittel und der Leberreaktion. In den Publikationen zur Chinesischen Medizin lässt er jedoch sämtliche seiner Grundsätze hinter sich. Zunächst zählt er zur TCM auch volksmedizinische Anwendungen, japanische, koreanische Medizin, z.T. amerikanische Nahrungsergänzungsmittel, die unter vielen Bestandteilen auch eine chinesische Arzneidroge enthalten, ja sogar rein westliche Arzneipflanzen. Eine fehlende Bestätigung der Drogenidentität, ein fehlender Ausschluss von Kontaminationen oder bewussten Verfälschungen stören ihn nicht.
Aber er geht noch weiter. In einer Arbeit*, die die Anwendung eines international üblichen Scores (CIOMS) zur Prüfung des Kausalitätszusammenhangs in Anspruch nimmt, fälscht er regelrecht Daten, indem er bestimmten Arbeiten einen CIOMS-Scorewert unterschiebt, die diese Prüfung gar nicht vorgenommen haben. In böswilliger Weise (anders kann man es nicht bezeichnen) lastet er die Schuld bei Mitteln zur Gewichtsabnahme, die in Japan durch nicht deklarierten Zusatz von N-nitroso-Fenfluramin zu vielen schweren Leberschäden geführt haben, den chinesischen Kräutern an, obwohl alle Belege (u.a. Tierversuche) für eine Verursachung durch die chemische Verfälschung sprechen. Eine detaillierte Analyse des wissenschaftlichen Betrugs von Teschke und Koautoren wird demnächst in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur erscheinen.
Zu chinesischen Arzneidrogen, denen tatsächlich wegen möglicher Lebertoxizität unsere Aufmerksamkeit gelten solle, s. unsere Website unter http://www.ctca.de/index.php/de/infosfuer-fachkreise/leber/moegliche-lebertoxizitaet-durch-chinesische-arzneidrogen.
* Teschke R, Zhang L, Long H et al. Traditional Chinese Medicine and herbal hepatotoxicity: a tabular compilation of reported cases. Ann Hepatol 2015;14(1):7-19
Wirksamkeit der CA bei ventrikulärer Extrasystolie (VES)
Bei gehäufter VES sind die Therapieoptionen mit westlichen Medikamenten (Betablocker, Klasse 1 oder 3-Antiarrhythmika) wegen geringer Wirksamkeit oder arrhythmogener Effekte unbefriedigend. Eine chinesische Studie untersuchte die Wirksamkeit von Wenxin Granulat (bestehend aus Codonopsis Rd., Polygonati Rhz., Notoginseng Rd. et Rhz., Succinum, Nardostachyos Rd. et Rhz.) in einer Dosierung von 3mal 9g bei VES von mindestens 8640 Schlägen pro Tag oder 360 pro Stunde. 1200 Patienten aus 60 Krankenhäusern in ganz China wurden randomisiert der Verumgruppe bzw. einer Placebogruppe zugeteilt. Nach 4 Wochen zeigte die Wenxin-Gruppe einen hochsignifikant größeren Rückgang der VES als die Placebogruppe (83,8 gegenüber 43,5 %), ebenso nahmen die VES-bezogenen Symptome hochsignifikant stärker ab.
Hua W, Gao RL, Zhao BC et al. The efficacy and safety of Wenxin Keli in patients with frequent premature ventricular contractions: A randomized, double-blind, placebo-controlled, parallel-group, multicenter trial. Chin Med J. 2015;128(19):2557-64.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4736861/
Oxalsäuregehalte in chinesischen Arzneidrogen
Eine Arbeit im Journal of TCM untersucht bei 22 ausgewählten chinesischen Arzneidrogen den Gehalt an Oxalsäure, die bei längerer Anwendung die Entstehung von Nierensteinen begünstigen kann. Den höchsten Gehalt hatte Houttuynia cordata (yu xing cao) mit 2146 mg wasserlöslicher Oxalsäure pro 100g. Zum Vergleich: Getreidemehle als moderate Oxalsäurequellen enthalten 37 bis 269 mg/100g, viele Gemüse weniger. Entscheidend für die Resorption ist der wasserlösliche Anteil der Oxalsäure. Spinat hat einen Gesamtoxalsäuregehalt von durchschnittlich 970 mg/100g, der größte Teil davon ist wasserlöslich. Eclipta prostrata (mo han lian) hatte den zweithöchsten Gehalt mit 1218 mg/100g wasserlösliche Oxalsäure. Da chinesische Arzneidrogen nicht in Mengen wie Lebensmittel eingenommen werden, ist die Gefahr von Nierensteinbildung nicht allzu hoch anzusetzen. Bei bereits bekannter Nephrolithiasis, insbesondere mit Oxalatsteinen, ist jedoch unbedingt Vorsicht geboten.
Huang, J., Huang, C., Liebman, M. Oxalate contents of commonly used Chinese medicinal herbs. J Tradit Chin Med 2015;35(5);594-9.
http://www.journaltcm.com/modules/Journal/contents/stories/155/16.pdf
300 Jahre alte Proben chinesischer Arzneidrogen im Britischen Museum
Die Autoren einer chinesischen Veröffentlichung hatten Gelegenheit, bei der Identifizierung von 300 Jahre alten Proben chinesischer Arzneidrogen im Britischen Museum zu mitzuwirken, die dem normalen Publikumsverkehr nicht zugänglich sind. Sie wurden wahrscheinlich ursprünglich dem Gründer des Museums, Sir Hans Sloane, von der East India Company in Kommission gegeben.
Sie stammen von der Art der Drogen her offensichtlich aus Südchina, einige aus dem Ausland (Olibanum, Nelken, Schlafmohn, Betelnus, Amomi Fructus) und tragen Bezeichnungen, die in verschiedenen Sprachen phonetisch dem Chinesischen nachgebildet sind, z.T. auch englische oder lateinische. Einige Drogen konnten noch nicht eindeutig identifiziert werden. In der Arbeit werden 84 Drogen namentlich aufgeführt, die der Art oder zumindest der Gattung nach bestimmt sind. Die Proben sind eine unschätzbare Hilfe für die Bestimmung der Pflanzenspezies, die historisch Verwendung fanden, weil die alten chinesischen Bezeichnungen in den Texten nicht immer eindeutig sind.
Aus dem Vorhandensein von Akebia quinata unter diesen Drogen schlossen die Autoren, dass damals für mu tong keine Aristolochia-Drogen verwendet wurden. Das ist jedoch nicht so einfach möglich, da mitunter verschiedene Spezies für eine Droge verwendet wurden und werden, und unter den 300 Drogen befindet sich auch eine bisher nicht näher bestimmte Aristolochia-Art.
Zhao ZZ, Zhao KC, Brand E. [Identification of ancient Chinese medicinal specimens preserved at the Natural History Museum in London] (Chinese). Zhongguo Zhong Yao Za Zhi 2015;40(24):4923-7
Verwendete Arzneien zur Fertilitätsbehandlung in Taiwan
Eine Arbeit aus Taiwan untersuchte, ob bzw. welche chinesischen Arzneien von 8766 Frauen mit diagnostizierter Infertilität verwendet wurden. Auf Basis von Daten der nationalen Krankenversicherung nutzen 96,2 Prozent dieser Frauen CA. Die 5 am häufigsten verwendeten Rezepturen waren (mit absteigender Häufigkeit): dang gui shao yao san, wen jing tang, jia wei xiao yao san, zuo wei wan und you wei wan, die 5 am häufigsten Einzelmittel:
Cuscutae Semen, Leonuri Herba, Ligustri lucidi Fructus, Cyperi Rhizoma und Dipsaci Radix.
Hung YC, Kao CW, Lin CC et al. Chinese herbal products for female infertility in Taiwan: A populationbased cohort study. Medicine 2016;95(11):e3075.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4839918/
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Oktober 2015
CTCAletter Okt. 2015
Das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) möchte in diesem Newsletter wieder einige sicherheitsrelevante oder aktuell interessierende Informationen zur Chinesischen Arzneitherapie für Fachkreise zur Verfügung stellen. Gleichzeitig nehmen wir die Gelegenheit wahr mitzuteilen, dass wir uns freuen, dass jetzt auch die Länder Österreich und die Schweiz mit Gesellschaften im CTCA vertreten sind.
Die das CTCA tragenden Gesellschaften sind (in alphabetischer Reihenfolge): die AG Deutscher TCM-Apotheken (TCM-Apo AG), die AG für Klassische Akupunktur und TCM (AGTCM), die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA), die Gesellschaft für die Dokumentation von Erfahrungsmaterial der Chinesischen Arzneitherapie (DECA), die Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin (SMS), die Schweizerische Berufsorganisation für TCM (SBO-TCM) und die Wiener Schule für TCM (WSTCM). Zusätzlich sind qualifizierte Einzelpersonen Mitglied im CTCA.
Phototoxische Reaktion nach externer Anwendung von Psoraleae Fructus (bu gu zhi)
Beim CTCA ging eine Fallmeldung ein, bei der es nach externer Anwendung einer Rezeptur, die u.a. Psoraleae Fructus (bu gu zhi) enthielt, zu einer großflächigen Rötung und Entzündung mit Blasenbildung kam, was eine mehrtätige stationäre Behandlung einschließlich Blasenabtragung in Allgemeinnarkose zur Folge hatte. Es war vergessen worden, die Patientin darauf hinzuweisen, dass sie eine Solariumanwendung strikt zu vermeiden hat. Bu gu zhi enthält hohe Anteile von Furocumarinen (u.a. Psoralene), die phototoxisch wirken. Dieser Effekt wird in der sog. PUVA-Therapie mit 8-Metoxypsoralen bei Psoriasis und anderen Hauterkrankungen gezielt genutzt, hier jedoch exakt und vorsichtig dosiert mit der Reinsubstanz. Dennoch können derartige Nebenwirkungen darunter auftreten. Das CTCA rät von der topischen Anwendung von bu gu zhi generell ab, da der Effekt bei den sehr unterschiedlichen Wirkstoffgehalten, die für pflanzliche Zubereitungen typisch sind, nicht zu steuern ist. Auch bei innerer Anwendung muss eine stärkere Sonnenbestrahlung oder gar ein Solariumbesuch unbedingt vermieden werden. Die Wirkung von bu gu zhi bei Vitiligo ist dabei zweifelhaft, weil evt. die gesunde Haut ebenfalls oder sogar überwiegend gebräunt wird. Auch andere pflanzliche Drogen, z.B. der Gattung Angelica, enthalten Furocumarine, die bei stärkerer UV-Exposition phototoxische Reaktionen, wenn auch geringeren Ausmaßes, auslösen können. Bekannter ist diese Eigenschaft von Johanniskraut, doch kommt es hier in der Praxis nur sehr selten zu Problemen. Auch nach Genuss von nicht mehr ganz frischem Sellerie oder anderen Gemüsesorten sind schon ähnliche Reaktionen aufgetreten.
Der Einsatz von Arzneidrogen mit Phytoöstrogen-Wirkung bei hormonabhängigen Tumoren wird als kritisch angesehen.
Eine Studie aus Taiwan untersuchte bei mit Tamoxifen behandelten Brustkrebspatientinnen den Zusammenhang von danggui (Angelicae sinensis Radix)-Einnahme mit dem Auftreten von Endometriumkarzinomen. Danggui wird eine Phytoöstrogen-Wirkung zugeschrieben. Fast jede zweite untersuchte Brustkrebspatientin in der Studie hatte danggui-haltige Zubereitungen eingenommen. Das Risiko für Endometriumkarzinome wird durch Östrogene allgemein erhöht. Unter Einnahme von danggui war das Risiko jedoch vermindert (hazard ratio=0,61).
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25485843
Anmerkung: Es handelt sich hier nicht um eine Interventionsstudie, d.h. der Zusammenhang zwischen danggui-Einnahme und Risikosenkung muss nicht ein kausaler sein. Leider wurde nicht das Brustkrebs-Rezidivrisiko untersucht, was von besonderem Interesse gewesen wäre.
Eine weitere Studie derselben Autoren untersuchte, wie oft parallel zu einer Hormon-Ersatz-Therapie (HRT) in der Menopause Chinesische Arzneitherapie (CA) rezeptiert wurde. Ergebnis: Mehr als jede fünfte der taiwanesischen Studienteilnehmerin hatte beide Therapierichtungen parallel angewendet. Für das Auftreten von Brustkrebs gab es keine signifikanten Unterschiede zu den Frauen, die HRT allein angewendet hatten.
Free download unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24987432
Eine andere Studie aus Taiwan verglich das Überleben von mit Taxanen behandelten Brustkrebspatientinnen, die zusätzlich CA anwandten, mit ebensolchen, die dieses nicht taten. Unter Einnahme von CA ergab sich eine signifikant bessere Überlebensrate (HR 0,55). Die besten Ergebnisse waren mit der Einnahme von bai hua she she cao, ban zhi lian und huang qi assoziiert.
Free download unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24496917
Anmerkung: Auch hier kann man aus o.g. Gründen nicht zwangsläufig auf einen kausalen Zusammenhang schließen. Die Autoren schlussfolgern, dass kontrollierte randomisierte Studien nötig sind, um die Ergebnisse zu validieren. Bei der CA handelte es sich um Mittel, die auf Kosten der Krankenversicherung verordnet wurden. Die Behandlung könnte sich, da von qualifizierten TCM-Ärzten rezeptiert, primär auf Rezeptor-negative Tumore konzentriert haben oder auf Drogen, von denen keine negativen Phytoöstrogen-Effekte bekannt sind.
Eine experimentelle Studie aus Taiwan zeigt, dass die Gabe von si wu tang (SWT) mit einer Tamoxifen- plus Trastuzumab-Therapie von Brustkrebs interagiert. Danach steigerte die Gabe von SWT das Tumorwachstum von Brustkrebszellen in Mäusen, die mit den beiden anderen Mitteln (die häufig zur Therapie bei Brustkrebs eingesetzt werden) behandelt wurden.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23340260
CA bei supprimierter Knochenmarksfunktion unter Chemo- und Radiotherapie:
Die Formel fufang e jiao jiang (bestehend aus: e jiao, dang shen, ren shen, shan zha und shu di huang) konnte bei Mäusen, bei denen mit Strahlentherapie, Cyclophosphamid und Chloramphenicol eine reduzierte Knochenmarksfunktion induziert wurde, u.a. die hämatopoietischen Progenitorzellen und in hoher Dosis auch die hämatopoietischen Stammzellen erhöhen.
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24534527
Eine Studie aus Hongkong mit immerhin 240 Teilnehmern untersuchte die Wirkung zweier chinesischer Rezepturen bei allergischer Rhinitis gegen Placebo. Bei der einen Rezeptur (CS) handelte es sich um eine solche aus 12 Komponenten (huang qi, dang shen, bai zhu, gan jiang, gui zhi, da zao, zhi fu zi, xi xin, xin yi, huai xiao mai , ai ye und yi tang(=Saccharum granorum), bei der zweiten um eine abgewandelte Form von yu ping feng san (YS) mit huang qi, bai zhu, fang feng, xi xin, gan cao und cang er zi, also beides recht warme Formeln. Neben der Symptomausprägung wurden auch die Lebensqualität und konstitutionelle TCM-Merkmale ausgewertet. Gegenüber Placebo verbesserten sich die Symptome, die Lebensqualität und auch konstitutionelle Faktoren, wobei CS besser wirksam war als YS, insbesondere bei Qi Leere- und Yang Leere-Muster.
Free download unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4094638/
Schon geringe Unterschiede in der Drogenbehandlung können bedeutsame Auswirkungen auf die Qualität zur Folge haben:
Eine Studie untersuchte die Auswirkung verschiedener Trocknungsverfahren auf die Inhaltsstoffe von Angelicae sinensis Radix. Verglichen mit frischen Drogenscheiben wurden Drogenscheiben, die im Schatten, in der Sonne, mit heißer Luft, im Vakuum, mit Mikrowelle, mit Infrarotstrahlen oder aus einer Kombination der beiden letzteren Verfahren getrocknet wurden. Droge, die mit heißer Luft getrocknet wurde, war in der Zusammensetzung der frischen Droge ähnlich. In Vakuum getrocknete Droge bewahrte die Hauptinhaltsstoffe am besten. Die Bestandteile Coniferylferulat und Ligustilid fielen bei Trocknung in der Mikrowelle, mit Infrarot oder der Kombination signifikant ab.http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24561333
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September 2014
1. Vorsitzender: Dr. Axel Wiebrecht
CTCAletter Sept. 2014
Das Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) möchte den Faden wieder aufnehmen und hiermit aktuelle Informationen zur Chinesischen Arzneitherapie (CA) unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsbelangen interessierten Therapeuten, Apothekern und anderen involvierten Fachkreisen zur Verfügung stellen.
Inhalt:
Experimentelle Studie zur Schwangerschaftstoxizität der Chinesischen Arzneitherapie (CA) zurückgewiesen
Publikation zu Leberschäden durch Pflanzliche Arzneimittel wird fälschlicherweise der TCM angelastet
Phlebosklerotische Colitis – eine sehr seltene, mit Gardeniae Fructus (zhizi) assoziierte Nebenwirkung
Positive Effekte der gleichzeitigen Einnahme von Tamoxifen und CA bei Brustkrebspatientinnen
Keine Hinweise auf Nierenschädlichkeit durch Chinesische Arzneitherapie
Aktuelle Meldungen:
Experimentelle Studie zur Schwangerschaftstoxizität der Chinesischen Arzneitherapie (CA) zurückgewiesen
Im Jahr 2012 erschien eine experimentelle Studie an Mäusen zur Schwangerschaftstoxizität von 17 in der Chinesischen Arzneitherapie (CA) häufig gebrauchten Arzneidrogen [1]. Die Ergebnisse fielen für die CA vernichtend aus. Es fanden sich zu sämtlichen getesteten Drogen vielfache signifikante Ergebnisse in Form von fetalen Resorptionen, Totgeburten, fetalem und postnatalem Tod, postnataler Wachstumsretardierung und Teratogenität.
In einer aktuell veröffentlichten Publikation in Complementary Therapies in Medicine von Axel Wiebrecht, Wilhelm Gaus, Simon Becker, Josef Hummelsberger und Kirsten Kuhlmann wurden diese Ergebnisse als nicht valide zurückgewiesen. Die Autoren konnten grobe biometrische Fehler, Implausibilitäten und Datenmanipulationen nachweisen. Die Ergebnisse widersprechen denen anderer Arbeiten, soweit dazu (zu einem kleinem Teil) Untersuchungen durchgeführt wurden. Weiter konnten die Autoren aus zwei Reviews zu einer häufigen Schwangerschaftsindikation für CA (nämlich drohender Abort) vorläufige Sicherheitsaussagen zu den meisten Drogen gewinnen, es liegen für einige Feststellungen bis zu 1500 dokumentierte Anwendungen in der Schwangerschaft am Menschen vor. In der Veröffentlichung finden sich auch allgemeine Aussagen zur Problematik der Sicherheit von traditionellen Arzneidrogen in der Schwangerschaft. Die Arbeit ist im Internet frei zugänglich: http://www.complementarytherapiesinmedicine.com/article/S0965-2299%2814%2900133-2/fulltext
Publikation zu Leberschäden durch Pflanzliche Arzneimittel wird fälschlicherweiseder TCM angelastet
Ein profilierter Hepatologe, Prof. Rolf Teschke (Hanau), und Koautoren veröffentlichten im Mai in der Zeitschrift Alimentary Pharmacology & Therapeutics einen Artikel über angebliche Leberschäden durch TCM, soweit diese aus der Literatur von 2011 bis März 2014 hervorgehen [2]. Die Studie wurde auch in der FAZ vom 31. Mai aufgegriffen, Überschrift: „Chinesische Medizin schlägt auf die Leber“. Die wenigsten beschriebenen Fälle betreffen allerdings die Chinesische Medizin (CM), sondern teilweise lokale volksmedizinische Anwendungen der mit Pyrrolizidinalkaloiden (PA’s) hoch belasteten Pflanze Gynura segetum, obskure Nahrungsergänzungsmittel aus den USA, die neben vielen anderen Bestandteilen auch ein oder zwei chinesische Arzneipflanzen enthalten, einen Fall aus der Kampomedizin, in dem andere Pflanzenspezies verwendet wurden als in der CM, und die westliche Pflanze Angelica archangelica, die fälschlicherweise der CM zugeschrieben wurde. Obwohl der Hauptautor in Dutzenden von Veröffentlichungen immer wieder eine Kausalitätsbeurteilung nach strengen Kriterien unter Berücksichtigung von Authentizitätsproblemen, Verunreinigungen und Verfälschungen bei pflanzlichen Arzneimitteln vehement einfordert, werden in dieser Arbeit davon unbeeindruckt die beschriebenen Leberschäden der CM zugewiesen.
In einem Leserbrief an die betreffende Zeitschrift haben Axel Wiebrecht und Andreas Kalg in Abstimmung mit dem CTCA die Fehler und Fragwürdigkeiten der Arbeit benannt und betont, dass der Artikel an der CM weitgehend vorbeigeht [3], s. unter http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/apt.12883/pdf. Die einzige aus der Arbeit plausible Kausalitätszuweisung zu einer authentischen Arzneidroge der CM betrifft Polygoni multiflori Radix (heshouwu), zumindest die unpräparierte Droge, deren innere Anwendung weniger üblich ist. Das CTCA hatte bereits eine Liste von Veröffentlichungen, vor allem aus der chinesischen Literatur, zusammengestellt, die deutlich mehr Arbeiten umfasst als die Quellen von Teschke et al. Der Verdacht ist durch die Anzahl der Berichte begründet, auch wenn lebertoxische Reaktionen im Verhältnis zur Häufigkeit der Anwendung von Polygoni multiflori Radix sicherlich sehr selten sind.
In ihrer Replik auf den Leserbrief gehen Teschke und Koautoren mit keinem Wort auf die Einwendungen von Wiebrecht und Kalg ein, sondern antworten mit persönlichen Angriffen auf die Leserbriefautoren der Art, dass diese die Inhaltsstoffe chinesischer Arzneimittel manchmal nicht auseinander halten könnten und mit „key issues“ der Hepatologie zu wenig vertraut seien. Dabei fanden sie es nicht nötig, ihre Behauptungen zu belegen. Notabene! So bügeln deutsche Wissenschaftler unliebsame Kritik an einer nachlässig recherchierten Veröffentlichung ab. (s.http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/apt.12887/pdf. )
Die Deutsche Zeitschrift für Akupunktur und Qi – Zeitschrift für Chinesische Medizin werden in ihren Novemberausgaben weitere Einzelheiten zu dieser Begebenheit veröffentlichen.
Phlebosklerotische Colitis – eine sehr seltene, mit Gardeniae Fructus (zhizi) assoziierte Nebenwirkung
Kürzliche wurde erneut ein Fall der sehr seltenen phlebosklerotischen Colitis bei einer 53-jährigen Frau beschrieben, die 13 Jahre lang Gardeniae Fructus eingenommen hatte [4]. Diese Krankheitsentität ist noch nicht lange bekannt. Eine Arbeit aus Japan [5] berichtete über 25 Fälle, die unter verschiedenen Kamporezepturen aufgetreten waren. Alleiniger gemeinsamer Bestandteil all dieser Rezepturen war Gardeniae Fructus (zhizi, japanisch sanshishi). Die Anwendungsdauer lag dabei zwischen 10 und 20 Jahren. Eine weitere Studie berichtet über 42 Patienten, von denen 90 % die Einnahme Gardeniae Fructus-haltiger Rezepturen oder der Einzeldroge sanshishi in Rohdrogenform angaben [6]. Interessanterweise war die seltene Erkrankung auch bei einem Ehepaar aufgetreten, das für lange Zeit dieselbe pflanzliche Medizin eingenommen hatte.
Bei dieser Erkrankung kommt es zu Koagulationsnekrosen und einer Hyperplasie der Veneninnenwand mit Fibrose und Kalzifikationen der betroffenen Gewebe, was schließlich zum Venenverschluss führt. Symptome sind Bauchschmerzen, Durchfälle, teilweise Blutabgang mit dem Stuhl, mitunter kann die Erkrankung auch symptomlos verlaufen. Die Therapie beschränkt sich außer im Absetzen der möglichen Verursacher auf eine Symptomlinderung, in einigen Fällen war eine Hemicolektomie notwendig. Ein Sicherheitsrisiko von zhizi ist sicher nur bei jahrelanger Anwendung zu berücksichtigen.
Positive Effekte der gleichzeitigen Einnahme von Tamoxifen und CA bei Brustkrebspatientinnen
Mitunter werden Phytoöstrogene dem Verdacht ausgesetzt, das Auftreten eines Endometriumkarzinoms zu fördern [7]. In einer Studie aus Taiwan wurde untersucht, wie sich die gleichzeitige Einnahme von Chinesische Arzneitherapie (CA) und Tamoxifen bei Brustkrebspatientinnen auf das Auftreten von Endometriumkarzinomen auswirkt [8]. Von 20.466 Patientinnen hatte mehr als die Hälfte chinesische Rezepturen eingenommen, am häufigsten waren jia wei xiao yao san und shu jing huo xue tang. Ein Endometriumkarzinom trat unter den CA-Anwenderinnen nur halb so häufig auf wie unter Nichtanwenderinnen, was statistisch signifikant war.
Keine Hinweise auf Nierenschädlichkeit durch Chinesische Arzneitherapie
Oft wird der CM eine Nephrotoxizität unterstellt – unabhängig von den Aristolochia-Drogen. Deren Nierenschädlichkeit und Kanzerogenität ist ohne jeden Zweifel belegt. Durch die Presse ging 2012 eine Studie aus Taiwan, dem Land mit der weltweit höchsten Rate von Nierenversagen und gleichzeitig (ehemals) hohem Konsum von Aristolochia-haltigen Arzneien [9]. Bei einem Großteil der Betroffenen konnte auf molekularer Ebene die Beteiligung von Aristolochia in Form von Aristolochiasäure-Addukten an die DNA nachgewiesen werden.
Nun kommt eine Studie aus Taiwan [10], die zeigen konnte, dass Patienten, die nach der Diagnose einer chronischen Nierenerkrankung nicht-Aristolochia-haltige chinesische Medizin erhalten hatten, eine geringere Mortalität aufwiesen als solche, die keine CA erhalten hatten. Das bestärkt unsere Auffassung, dass eine Nephrotoxizität außerhalb von Aristolochia oder anderen besonders toxischen bzw. obsoleten Arzneidrogen (wie z.B. Tripterygii wilfordii Radix, leigongteng) für chinesische Arzneidrogen nicht belegt ist.
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Die das CTCA tragenden Gesellschaften sind (in alphabetischer Reihenfolge): die AG Deutscher TCM-Apotheken (TCM-Apo AG), die AG für Klassische Akupunktur und TCM (AGTCM), dieDeutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA), die Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für TCM (DGWTCM), die Gesellschaft für die Dokumentation von Erfahrungsmaterial der Chinesischen Arzneitherapie (DECA) und die Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin (SMS). Zusätzlich sind qualifizierte Einzelpersonen im CTCA vertreten.
Quellen:
- Wang CC, Li L, Tang LY and Leung PC. Safety evaluation of commonly used Chinese herbal medicines during pregnancy in mice. Hum Reprod 2012;27:2448-56
- Teschke R, Wolff A, Frenzel C and Schulze J. Review article: herbal hepatotoxicity - an update on traditional Chinese medicine preparations. Aliment Pharmacol Ther 2014;40:32-50
- Wiebrecht A, Kalg A. Herbal hepatotoxicity - an update on traditional Chinese medicine preparations (letter). Aliment Pharmacol Ther 2014;40:737-8
- Hirasaki S, Matsumura K. Development of phlebosclerotic colitis under treatment with Chinese herbal therapy. Intern Med 2014;53:1709-10
- Hiramatsu K, Sakata H, Horita Y, et al. Mesenteric phlebosclerosis associated with long-term oral intake of geniposide, an ingredient of herbal medicine. Aliment Pharmacol Ther 2012;36:575-86
- Ohtsu K, Matsui T, Nishimura T, et al. [Association between mesenteric phlebosclerosis and Chinese herbal medicine intake] (Japanese). Nihon Shokakibyo Gakkai Zasshi 2014;111:61-8
- N. N. Phytoöstrogene und Endometriumkarzinom. Arzneitelegramm 2002;33:87-88
- Tsai YT, Lai JN and Wu CT. The use of Chinese herbal products and its influence on tamoxifen induced endometrial cancer risk among female breast cancer patients: A population-based study. J Ethnopharmacol 2014;155:1256-62
- Chen CH, Dickman KG, Moriya M, et al. Aristolochic acid-associated urothelial cancer in Taiwan. Proc Natl Acad Sci U S A 2012
- Hsieh CF, Huang SL, Chen CL, Chen WT, Chang HC and Yang CC. Non-aristolochic acid prescribed Chinese herbal medicines and the risk of mortality in patients with chronic kidney disease: results from a population-based follow-up study. BMJ Open 2014;4:e004033
Anhang Größe CTCALetter2014.1.pdf 83.29 KB -
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Januar 2012
CTCAletter No. 1/2012
In loser Folge möchten wir vom Centrum für Therapiesicherheit in der Chinesischen Arzneitherapie (CTCA) aktuelle Informationen zur Chinesischen Arzneitherapie (CA) unter besonderer Berücksichtigung von Sicherheitsbelangen interessierten Therapeuten, Apothekern und anderen involvierten Fachkreisen zur Verfügung stellen. Damit soll die Kommunikation zwischen CTCA und insbesondere den Mitgliedern der angeschlossenen Gesellschaften verbessert bzw. zum großen Teil erst hergestellt werden. Da Sicher-heitsfragen bisher in der TCM-Welt nur unzureichend beleuchtet werden, versuchen wir dazu beizutragen, dass eine wichtige Lücke in der Wissensvermittlung geschlossen wird.
Dieses ist der erste Newsletter des CTCA. Weitere Ausgaben können Sie derzeit noch nicht abbonieren, weil die technischen Voraussetzungen dafür noch nicht existieren. Wir arbeiten jedoch daran. Vorläufig wird Sie daher der Newsletter primär über die angeschlossenen Gesellschaften erreichen.
Die das CTCA tragenden Gesellschaften sind (in alphabetischer Reihenfolge): die AG Deutscher TCM-Apotheken(TCM-Apo AG), die AG für Klassische Akupunktur und TCM (AGTCM), die Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA), die Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft für TCM (DGWTCM), die Gesellschaft für die Dokumentation von Erfahrungsmaterial der Chinesischen Arzneitherapie (DECA) und die Internationale Gesellschaft für Chinesische Medizin (SMS). Zusätzlich sind besonders qualifizierte Einzelpersonen im CTCA vertreten.
Aktuelle Meldungen:
Das Journal of Ethnopharmacology hat eine Ausgabe (vom 30.04.2012) der Traditionellen Chinesischen Medizin gewidmet. Die Artikel sind frei zugänglich:
http://www.sciencedirect.com/science/journal/03788741/140
Unter den Beiträgen finden sich unter anderem:
- Pharmakovigilanz und Arzneimittelsicherheit der CA in China
Hierüber berichtet eine Autorengruppe maßgeblicher Institutionen, vorwiegend aus China (Zhang L et al.). In China existiert ein nationales Zentrum für die Meldung und Überwachung von unerwünschten Arzneimittelreaktionenen, dem Chinese State Food and Drug Administration (SFDA) unterstellt. Bis 2010 gingen 3,15 Millionen Nebenwirkungsmeldungen ein, 13.8 % davon betrafen TCM-Mittel. 99,7% von diesen sind Fertigarzneimitteln zuzuordnen, 0,4% Rohdrogen (die Summe von 100,1% geht wohl auf Rundungsfehler zurück).
Seit 2001 veröffentlicht das SFDA Informationsbulletins über Arzneimittelnebenwirkungen. In den 10 Jahren bis 2011 wurden 72 Warnmeldungen zu neuen Arzneimitteln herausgegeben, 9 davon betrafen TCM-Mittel (5 Injektionspräparate und 7 orale Mittel). Im Jahre 2003 wurden Aristolochia manchuriensis- und andere Aristolochiasäure-haltige Drogen verboten. Im Jahre 2006 wurde die Zulassung von 8 Injektionspräparaten wegen aufgetretener Nebenwirkungen zurückgezogen, als Ursache wurden Qualitätsmängel vermutet.
Die Ansicht „TCM-Mittel sind nicht toxisch“ gelte es genauso zu korrigieren wie eine unqualifizierte Übertreibung von Sicherheitsaspekten. Der Artikel unterstreicht die Wichtigkeit des Einsatzes chinesischer Arzneien aufgrund einer TCM-Diagnose durch gut ausgebildete Verschreiber. Es wird die Bildung einer international koordinierten Zusammenarbeit bzgl. der Nebenwirkungen der CA befürwortet. Bisher werden unerwünschte Arzneimittelreaktionen international durch das WHO Programme for International Drug Monitoring, dem Uppsala Monitoring Centre, erfasst.
- Daodi Drogen
Ein weiterer Artikel (Zhao Z et al.) - Koautor ist der Amerikaner Eric Brand - befasst sich mit Daodi Drogen. Diese sind Drogen von besonderer Qualität, man könnte sagen Referenzdrogen; ausgezeichnet durch Güte des genetischen Materials, optimalen Anbauort, spezielle Kultivierung und authentische Art der Zubereitung. Auch ursprünglich aus dem Ausland eingeführte Drogen konnten an bestimmten Orten in China erstklassige Qualitäten erzielen.
- Veröffentlichte Tierstudien zur CA
Hierzu erscheint eine Auswertung anhand der MEDLINE-Datenbank von Garcia NT et al. Zur CA insgesamt sind dort für die Jahre 2000 bis 2011 fast 50% mehr Veröffentlichungen verzeichnet als für die 50 Jahre vorher. 25 % davon sind Tierstudien, mit einem ähnlichen Zuwachs in den Jahren 2000 bis 2011 wie die Gesamtzahl der Veröffentlichungen. Eine besondere Bedeutung haben die Tierversuche für die Krebstherapie.
- Vergleich der Wirksamkeit von Granulaten mit der von Rohdrogen
Diese interessante Fragestellung wird von den Autoren H. Luo, Q. Li, A. Flower, G. Lewith und J. Liu beleuchtet. Leider erlaubte die schlechte methodische Qualität der 56 ausgewerteten Studien keine definitiven Aussagen, auch wenn 55 der 56 Studien keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Dekokten und Granulaten hinsichtlich Wirksamkeit zeigten. Der Mitautor Andrew Flower äußerte auf der RCHM Conference 2012 Zweifel an einer therapeutischen Gleichwertigkeit: „Because of the likelihood of strong publication bias (granules have become quite fashionable in China), Andrew did not believe this conclusion, but some encouragement could still be gained from it.” (RCHM Journal 9(1),2012:41)
- Irrationale Kriterien für die Erlangung eines legalen Status für chinesischer Arzneien in Europa
Darauf geht u.a. ein Artikel von Fan PT et al. ein, der sich mit den Regulierungsvorschriften für die CA in verschiedenen Ländern befasst. Für Europa werden einige Fälle geschildert, die die Irrationalität der hiesigen Zulassungspraxis demonstrieren.
Fall 1: Im April 2011 suchte eine in Großbritannien angesiedelte chinesische Firma, die Granulate und Fertigarzneimittel vertreibt, angesichts der Deadline des Inkrafttretens der Richtlinie zur Registrierung traditioneller Arzneimittel (THMD) eine Unternehmensberatung auf. Die Firma dachte, es reiche, in Zukunft die Vorgaben zu erfüllen, und war sich wegen Sprach- und kultureller Barrieren nicht über die Anforderungen der europäischen Gesetze im Klaren. Verwirrung herrschte darüber, ob auch Granulate als Fertigarzneimittel einzustufen sind. Ferner nahm man an, da man legalerweise Produkte in den USA auf dem Markt hatte, dass man damit auch die Anforderungen in Europa erfülle. Das war mit Nichten der Fall. Im Mai erhielt die Firma einen unangemeldeten Besuch von der englischen Arzneimittelbehörde MHRA, nachdem der Zoll eine Lieferung wegen des Verdachts des illegalen Arzneimittelimports beschlagnahmt hatte. Zur Zeit der Abfassung des Artikels war der Vorgang durch das MHRA (wohl bzgl. der Einstufung der Granulate) noch nicht beschieden. Die Firma hat daraufhin den Vertrieb ihrer Fertigprodukte eingestellt, verkauft aber weiterhin Granulate in Erwartung eines endgültigen Bescheids. Möglicherweise kann das Verfahren mit einer empfindlichen Geld- oder gar Gefängnisstrafe für den Geschäftsführer ausgehen.
Fall 2: Dantonic®, von der Firma Tasly als Mittel bei Angina legal als Arzneimittel in 26 Ländern und legal als Nahrungsergänzungsmittel in 32 Ländern einschließlich den USA vertrieben. Dantonic® (enthält Danshen, Sanqi und Borneolum syntheticum) ist kein traditionelles Mittel, sondern wurde Anfang der 90’er Jahre nach Kriterien der Chinesischen Medizin entwickelt. Die beiden Heilkräuter sind auch als Lebensmittel bekannt. Interessanterweise wurde das Mittel in den Niederlanden behördlicherseits als Nahrungsergänzungsmittel anerkannt. Die schwedische Arzneimittelbehörde stufte das Mittel jedoch als Arzneimittel ein, weil die Bestandteile in der EU nicht als Nahrungsmittel verwendet werden, pharmakologische Eigenschaften haben und Monografien in der Chinesischen Pharmakopöe auf ihre medizinische Bestimmung verweisen. Gleichzeitig kann das Produkt nicht die erleichterte Registrierung nach der THMPD-Richtlinie nutzen, da seine traditionelle Verwendung in der EU nicht dokumentiert ist.
Fall 3: Phytopica®, von Phytopharm für die Gesundheit der Haut von Hunden entwickelt und anfangs unter Lizenz von Intervet/Schering Plough, UK. Das Mittel basiert auf einer traditionellen Rezeptur, und obwohl eine Registrierung als Humanarzneimittel angestrebt wurde, wird es wohl als Veterinärnahrungsergänzungsmittel mit „health claim“ registriert werden. Das ursprüngliche Extrakt aus 10 pflanzlichen Bestandteilen (Zemaphyte®) wurde als Humanarzneimittel entwickelt und hatte durch Studien bei Neurodermitis Aufsehen erregt. Die Registrierung wurde aber aufgegeben, weil die Herstellung nach GMP und die weiteren notwendigen Studien zu teuer geworden wären. Am Ende blieben 3 pflanzliche Extrakte als Bestandteile übrig (Rehmannia, Paeonia und Glycyrrhiza). Dadurch war das Mittel ein neues Produkt, das in dieser Form in China oder Europa noch nicht verwendet wurde, und wurde patentfähig. Die Firma konnte das Produkt als Veterinärnahrungsmittel vermarkten.
Kommentar: Langjährige therapeutische Erfahrung mit TCM-Arzneien erweist sich mitunter als nachteilig für einen legalen Marktzugang in Europa, während neue Produkte ohne ausreichende Erprobung es leichter haben können, als Nahrungsergänzungsmittel legalisiert zu werden. Der Vertrieb von Fertigarzneimitteln, soweit sie als solche eingestuft werden, kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Dem europäischen Bürger, der sich legal durch Tabakprodukte, Alkohol oder durch Teilnahme am Straßenverkehr umbringen kann, werden viel risikoärmere, lang erprobte und potenziell hilfreiche Mittel zur Wiederherstellung seiner Gesundheit unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes vorenthalten.
Studie mit CA zu rezidivierenden Harnwegsinfekten
Nach „gigantischen“ Vorarbeiten hat der o.g. Andrew Flower im letzten Jahr eine Forschungsförderung über 270.000 ₤ vom National Institute for Health Research in England bekommen, um im Rahmen eines 5-Jahres-Projekts die Rolle der CA bei der Behandlung rezidivierender Harnwegsinfekte zu erforschen. Zunächst wird eine historische Untersuchung über das Konzept der Lin Krankheit in der Chinesischen Medizin vorgenommen. Auch pharmakologische Daten sollen gesucht werden, die eine naturwissenschaftliche Plausibilität unterstützen könnten. Hinweise gibt es auch darauf, dass chinesische Drogen mit dem Inhaltsstoff Berberin, zusammen mit Antibiotika gegeben, Resistenzmechanismen von Bakterien gegen Antibiotika hemmen könnten. Eine vorläufige 12wöchige Beobachtungsstudie mit 15 Frauen wurde bereits durchgeführt, um die Machbarkeit der Studie zu demonstrieren. Aus praktischen Gründen verwendete man Granulate. Die Ergebnisse werden als ermutigend bezeichnet (RCHM Journal 9(1),2012:40-1). Wir gratulieren Andrew Flower zu seinem Projekt und wünschen viel Erfolg.
Sicherheitsthema:
Coptidis Rhizoma (huang lian) in der Schwangerschaft
Offensichtlich ist noch wenig bekannt, dass Coptidis Rhizoma (huang lian) wegen wahrscheinlicher embryotoxischer Wirkungen ein ernstes Sicherheitsrisiko in der Schwangerschaft darstellt. Noch sind Vorträge von namhaften Dozenten zu hören, die bisher davon anscheinend keine Kenntnis genommen haben.
Den Goldstandard für die Beurteilung eines teratogenen Risikos für den Embryo stellt die prospektive epidemiologische Studie am Menschen dar. Die einzige relevante derartige Studie zur CA ist die von Chuang et al. aus Taiwan [1]. Hier wurden Schwangere, die ein großes Krankenhaus in Taiwan von 1984 bis 1987 zur Schwangerschaftsvorsorge aufsuchten, über die Einnahme von chinesischen Arzneien im 1. Trimenon befragt. Die Einnahme sonstiger Arzneimittel, Erkrankungen, Schwangerschaftskomplikationen usw. sowie spätere Missbildungen bei den ausgetragenen Kindern wurden anhand verschiedener medizinischer Register erhoben. Es wurden 14.511 Lebendgeburten ausgewertet, bei 2.459 von diesen hatten die Mütter in der betreffenden Zeit chinesische Arzneien eingenommen. Nach Adjustierung für verschiedene Einflussfaktoren stellte sich heraus, dass die Einnahme von Coptidis Rhizoma (huang lian) mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Missbildungen des Nervensystems (8,62fache Risikoerhöhung) und der äußeren Genitalorgane (3,82fache Risikoerhöhung) einherging. Die Risikoerhöhungen basierten auf geringen Fallzahlen, waren aber statistisch signifikant. Auch wenn der Zusammenhang nicht mit letzter Sicherheit hergeleitet werden kann, ist das Ergebnis sehr ernst zu nehmen, solange es nicht durch andere Ergebnisse widerlegt wird. Auch für eine Rezeptur, nämlich AN TAI YIN (bestehend aus 13 Komponenten), wurde ein signifikant erhöhtes Missbildungsrisiko festgestellt, und zwar des muskuloskeletalen und Bindegewebes und des Auges.
In einer weiteren Studie derselben Autoren [2] wurden die Kinder nach durchschnittlich knapp 15 Jahren auf Krebsfälle nachuntersucht. Hatten die Mütter im 1. Trimenon Coptidis Rhizoma (huang lian) eingenommen, war das Krebsrisikosignifikant um den Faktor 2,23 erhöht, wobei besonders vermehrt Gehirntumoren auffielen (Risiko 4,79fach).
Quellen:
[1] Chuang CH, Doyle P, Wang JD, Chang PJ, Lai JN and Chen PC. Herbal medicines used during the first trimester and major congenital malformations: an analysis of data from a pregnancy cohort study. Drug Saf 2006;29:537-48
[2] Chuang CH, Doyle P, Wang JD, Chang PJ, Lai JN and Chen PC. Herbal medicines during pregnancy and childhood cancers: an analysis of data from a pregnancy cohort study (letter). Pharmacoepidemiol Drug Saf 2009;18:1119-20